Mit zahlreichen Zeugenaussagen und der Erläuterung eines chemischen Gutachtens ist am Montag der Prozess gegen einen deutschen Demonstranten beim Akademikerball fortgesetzt worden. Gleich zu Beginn wurde ein Gutachten präsentiert, das klären soll, ob der Sweater und der Handschuh des Angeklagten Rückschlüsse auf eine angeblich vom 23-jährigen Deutschen gezündete Rauchbombe geben.
Details im Visier
Auf dem schwarzen Kapuzensweater sowie dem linken Handschuh des jungen Mannes wurden keine Partikel gefunden, jedoch auf dem rechten Handschuh wurden drei Nitritpartikel entdeckt, die "mit dem Zünden eines pyrotechnischen Gegenstandes mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang steht", erklärte die Gutachterin. Rückschlüsse auf die Farbe der Rauchbombe, die der angeklagte 23-Jährige gezündet haben soll - auf einem Foto ist eine violette Rauchwolke zu sehen -, konnte die Gutachterin nicht geben. "Dazu war zu wenig Material da, sonst hätte man sogar Rückschlüsse auf das Fabrikat geben können."
Zudem komme es auch darauf an, wie die Rauchbombe geworfen werde. "Wie werfe ich sie, in welcher Höhe und wie stark geht der Wind", zählte die Gutachterin weitere Fakten auf, die sie nicht einbeziehen konnte. Zudem sei es durchaus möglich, die winzig kleinen Partikel von Gegenständen abzuklopfen bzw. abzuschwemmen. Auf die Frage der Verteidigerin, ob auch die Übertragung durch eine andere Person möglich wäre, meinte die Gutachterin: "Eine Kontamination ist möglich."
Experimente für Gutachten
Eine Rauchbombe sei nicht größer als 15 bis 20 Zentimeter lang und habe einen Durchmesser von vier Zentimeter. Sie könne "problemlos in jeder Tasche oder Sakko getragen werden", sagte die Gutachterin. Die rauchproduzierenden Knallkörper seien leicht im Internet zu bestellen, einzige Vorgabe: Man muss über 18 Jahre alt sein. Für das Gutachten - so ein Test wurde laut Gutachterin erstmals in Österreich durchgeführt - wurden am Gelände der Linzer Berufsfeuerwehr Experimente durchgeführt. Dabei wurden zu Testzwecken sieben Rauchbomben gezündet.
Die Anklage, vertreten von Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter, wirft dem 23-Jährigen vor, am 24. Jänner bei den Demonstrationen gegen den Ball der Burschenschafter als Mitglied des sogenannten Schwarzen Blocks an Ausschreitungen beteiligt gewesen zu sein. Er selbst plädiert auf nicht schuldig und machte bei der Verhandlung im Juni von seinem Recht Gebrauch, sich der Aussage zu entschlagen. Auch am Montag wollte der Angeklagte auf Nachfragen von Richter Thomas Spreitzer sich weiterhin in dem Prozess nicht äußern.
Der 23-jährige Deutsche ist nicht der einzige, der im Zusammenhang mit der vor Gericht steht. Im August wird sich eine weitere Person wegen der Beteiligung an der Demo wegen Landsfriedensbruch verantworten müssen. Dem Beschuldigten hat zudem an der Anti-Identitären-Demo im Mai teilgenommen.
Journalisten als Zeugen
Mehrere Pressefotografen und ein Kameramann sind am Montag zu den Geschehnissen rund um die Demonstration gegen den Akademikerball von Richter Thomas Spreitzer befragt worden. Die Journalisten beobachteten Demonstranten, die Fensterscheiben zerschlugen, Polizeiautos in Brand setzten und Verkehrsschilder aus der Verankerung rissen. Eine bestimmte Person sei ihnen dabei nicht aufgefallen.
"Die haben alle gleich ausgeschaut. Alle waren schwarz gekleidet", sagte der Kameramann im Zeugenstand. Dass auch Pflastersteine geworfen wurde, daran konnte sich der 31-Jährige nicht erinnern. Ein Polizist hätte einen Gegenstand mit seinem Schutzschild abgewehrt, das hätte ein Stein sein können, so der Zeuge.
Die Demonstranten hätten codierte Befehle ausgesprochen. "Zuerst kam der Befehl 'Sushi' aus beiden Richtungen" und plötzlich seien die Polizisten eingekreist und in die Mangel genommen worden, sagte der Fotograf. Ein Mann mit einem schwarzen "Kapuzenhoody" mit der Aufschrift "Boykott", wie es der Angeklagte bei der Demo getragen haben soll, war den Zeugen nicht aufgefallen, obwohl sogar der Kameramann diesen gefilmt hatte. "Kriegen Sie das gar nicht mit, weil Sie so fokussiert sind", fragte Spreitzer. "Ich hab das gar nicht wahrgekommen", sagte der Fotograf, der zum Zeitpunkt der Ausschreitungen am Stephansplatz neben diesem Kameramann stand.
Anlässlich des Fortsetzung des Prozesses gegen einen deutschen Demonstranten beim Akademikerball haben mehrere Organisationen Kritik am Verfahren geübt. Neben der "Offensive gegen Rechts" sah auch die Bundesjugendvertretung ein "unverhältnismäßiges Vorgehen". Die SJ sprach von einem "skandalösen juristischen Nachspiel". Die Grünen stellten eine parlamentarische Anfrage zum Akademikerball.
Polizist als Hauptbelastungszeuge
Der Hauptbelastungszeuge, ein Polizist, der bei der Demonstration gegen den Akademikerball in Zivil die Szenerie beobachtete, blieb bei seiner erneuten Befragung durch das Gericht am Montagnachmittag bei seinen Angaben. Der Beamte hatte den nun angeklagten Mann aus Jena gesehen, wie er angeblich als Rädelsführer am Stephansplatz Steine und andere Gegenstände auf Beamte geworfen habe.
Der Polizist gab ab, dass ein Mann mit einem Kapuzenpulli mit der Aufschrift "Boykott" Scheiben sowie eine Eingangstüre der Polizeiinspektion Am Hof eingeschlagen, bevor er ein dort abgestelltes Polizeiauto völlig demoliert habe. Mit der Stange eines Verkehrszeichens wurde laut den Vorwürfen auf den Wagen eingedroschen, bevor der Mann eine Rauchbombe in das Innere geworfen haben soll.
Der Revierinspektor verlor den Verdächtigen nach diesen beiden Vorfällen einige Zeit aus den Augen. Beim Burgtheater entdeckte er den 23-Jährigen wieder und machte die WEGA auf diesen aufmerksam, die ihn trotz passiven Widerstands und der Gegenwehr zweier Begleiter festnahm.
Müllabfuhr widerspricht Hauptzeugen
Von Richter Thomas Spreitzer vorgehalten, dass der Mann mit dem "Boykott"-Sweater von einem Fotografen mit einer Fackel in der Hand gesehen wurde, meinte der Polizist, er wüsste nicht mehr, ob es eine Signalfackel oder eine Rauchbombe gewesen sei, es ein "pyrotechnischer Gegenstand" gewesen. Nach der Einvernahme mehrere Beamte, die alle anonym nur mit ihrer Dienstnummer vor Gericht auftraten, wurden Mitarbeiter des Putztrupps der MA48 danach befragt, wo nach der Demo welche Gegenstände aufgesammelt wurden. Neben zahlreicher Glasscherben und Flaschen sowie Mistkübeln, die aus der Verankerung gerissen wurden, gab keiner der Zeugen an, lose Steine am Stephansplatz weggeräumt zu haben, wie von dem Hauptbelastungszeugen behauptet.
Große Halterungssteine - wie sie zum Befestigen von Straßenschildern verwendet werden - lagen vor allem bei Polizeiinspektion Am Hof herum, nachdem dort von Demonstranten die Scheiben damit eingeschlagen worden waren. Woher die Steine stammen könnten, wollte Richter Spreitzer wissen. Von transportablen Straßenschildern, meinte ein Beamte, der in der PI stationiert ist. "Warum stellt man das vor einer PI ab, an einem Demoabend", fragte der Richter, was lautes Gelächter im Saal auslöste. Scheinbar habe man im Vorfeld darauf vergessen, meinte der Polizist.