Das Halbjahr unter italienischen EU-Vorsitz hat begonnen. Zum elften Mal seit 1959 hat Italien das Ruder der Union. Premier Matteo Renzi, der am Mittwoch dem EU-Parlament in Straßburg seine politischen Prioritäten für Europa vorstellt, betrachtet das Halbjahr der italienischen EU-Ratspräsidentschaft als "große Chance für eine Wende in Europa".
Die EU-Mitgliedsstaaten seien aufgerufen, den Traum der Vereinigten Staaten Europas aufzubauen. "Wir müssen den jüngeren Generationen klar machen, dass Europa heute ein Ort ist, in dem Hoffnung möglich ist", schrieb Renzi in seiner Botschaft zu Beginn des italienischen EU-Vorsitzes. Der sozialdemokratische Regierungschef hatte zuletzt mit Frankreich eine Offensive für Lockerungen beim Defizitabbau gestartet.
Renzis EU-Programm ist ambitioniert und erschöpft sich nicht in Flexibilität und Wachstum. "Die EU muss die Bemühungen der Mitgliedsstaaten für strukturelle Reformen berücksichtigen und Finanzmittel für langfristige Investitionen locker machen", kommentierte der Staatssekretär für die EU-Politik, Sandro Gozi. Die EU brauche mutige Schritte, um Investitionen zu erhöhen, Arbeitsplätze zu schaffen und Reformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Dabei sei auf die Regeln des bestehenden Stabilitäts- und Wachstumspakts und eine volle Nutzung ihrer eingebauten Flexibilität aufzubauen, meint Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan.
Italien verlangt mehr Zeit im Defizitverfahren. Hat ein EU-Mitgliedstaat, dessen Defizit die Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) überschreitet, die von Brüssel geforderten strukturellen Maßnahmen zum Defizitabbau ergriffen, aber das nominale Ziel wegen eines unerwarteten Wirtschaftseinbruchs verfehlt, kann ihm mehr Zeit für die Korrektur eingeräumt werden. Außerdem drängt Renzi auf mehr Zeit für Reformen und Investitionen.
Nach der neuen Flüchtlingstragödie vor Sizilien mit 30 Todesopfern will Premier Renzi bei seiner Ansprache vor dem Straßburger Parlament das Thema Migration in den Vordergrund rücken. Renzi pocht auf Unterstützung aus Brüssel für den von Italien im Oktober gestarteten Einsatz "Mare Nostrum" zur Rettung von Migranten im Mittelmeer und auf eine Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex. "Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Das Migrationsproblem ist keine rein italienische Angelegenheit", betont Renzi immer wieder.