Laut wurde er, kurz nach 22 Uhr, als nehme er die von Armin Wolf gestellten Fragen zum immer wiederkehrenden Kuschelkurs der FPÖ mit dem rechten Rand persönlich. Der Auftritt von Parteichef Heinz-Christian Strache in der ZiB 2 war vor allem eines: emotional. So sehr, dass der blaue Kanzlerkandidat seinen viel zitierten Vergleich der Proteste gegen den WKR-Ball mit der Verfolgung der Juden im Dritten Reich sogar wiederholte. Zwei Mal, live und vor der ZiB-Rekordquote von über 800.000 Zusehern.

Armin Wolf wundert nicht mehr vieles, mag man meinen. Der ORF-Moderator und studierter Politikwissenschaftler sitzt den Politikern des Landes nahezu täglich gegenüber – und doch: "Dass Strache den ihm vorgeworfenen Satz sogar zwei Mal wiederholt, war erstaunlich", sagt er am Tag danach zur Kleinen Zeitung Digital. Er will ein Transkript des Interviews online stellen, um dem Vorwurf der FPÖ zu entgehen, "Dinge aus dem Zusammenhang zu reißen".

Die FPÖ selbst reagierte gelassen: In einem ORF-Interview forderte der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbucher dazu auf, "nicht jedes Wort eines Freiheitlichen in die Wagschale zu werfen".

Opferumkehr als wiederkehrendes Muster

Die Opferumkehr, sie ist ein immer wiederkehrendes Muster in der politischen Vita der FPÖ. Schon Jörg Haider fühlte sich gerne verfolgt und doch distanzierte er sich nie unmissverständlich vom braunen Rand. "Straches emotionaler Auftritt war eine bewusste Strategie", sagt Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Die Parallelen zu Haider sind dabei groß: Strache behauptete, von Armin Wolf darauf hingewiesen, nicht zu wissen, dass das Wort "Reichskristallnacht" historisch belegt ist. "Das ist eine Verweigerung von Begriffen, die in der FPÖ-Rhetorik üblich ist", sagt Filzmaier. Ein Tanz auf zwei Hochzeiten, Distanz zur NS-Zeit auf der einen Seite, aber auch ein Code für die Wählerschicht am äußersten rechten Rand? "Ich weiß es wirklich nicht", sagt Armin Wolf auf die Frage, ob er Strache die Unwissenheit abnimmt.

Zweigleisiger Kurs

Strafbar macht sich der FPÖ-Chef jedenfalls nicht, auch wenn die Kultusgemeinde ihm mit einer Strafanzeige droht. Sein viel diskutierter Satz "Wir sind die neuen Juden", aufgeschnappt von einem "Standard"-Reporter am WKR-Ball und laut Strache "völlig aus dem Zusammenhang gerissen", erfülle keinen strafrechtlichen Tatbestand, sagt Helmut Fuchs, Strafrechts-Experte an der Uni Wien: "Strache hätte sich positiv über das Dritte Reich äußern müssen oder im nationalsozialistischen Sinne betätigen müssen“, so die Gesetzeslage. Auch Verharmlosung kann man Strache nicht vorwerfen. "Dazu muss man sich bewusst und in einer breiten Öffentlichkeit äußern". Ein umstrittener Satz, der von einem als Autogrammjäger getarnten Journalisten zitiert wird, macht den FPÖ-Chef nicht zum Ziel der Justiz.

Genutzt hat der FPÖ der ZiB-Auftritt ebenso wenig, glaubt Peter Filzmaier: "Strache konnte bei denen, die er wirklich ansprechen will, nicht punkten". Die Opferrolle und die mangelnde Distanz zu Verbrechen der NS-Zeit funktionieren nur bei wenigen, extrem rechten Wählern. Die Mitte, in der Strache sein Potenzial sieht und mit deren Stimmzettel er auf 30 Prozent kommen will, habe er mit seinen Äußerungen "eher verschreckt", so Filzmaier.

Was bleibt, ist der gewohnte zweigleisige Kurs einer Partei, die unter Strache noch weiter nach rechts gerückt ist, sagt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands: "Strache zieht zwar verbale Grenzen zum braunen Sumpf, stellt sich aber auch immer wieder schützend vor das Milieu." Ob er nun um die historische Bedeutung des Wortes "Reichskristallnacht" wusste oder nicht. Peham sieht in der Verwendung der Bezeichnungen ein klares Muster der FPÖ, es sind Reizworte, die provozieren und polarisieren sollen. Besonders, wenn diese Politiker emotional reagierten, wie Heinz-Christian Strache, als er Armin Wolf im ORF-Studio gegenüber saß, "platzt es manchmal einfach aus ihnen heraus".