Das Café Kaiserfeld ist für Fiston Mwanza Mujila ein Erinnerungsort. Diese Plätze seien bedeutend, sagt der Schriftsteller, weil sie eine wichtige Rolle für die eigene Identifikation spielen. „Es ist der physische Bezug zu einer Stadt und ebenso wichtig wie die Sprache“, sagt der 38-Jährige, der 2009 für ein Jahr als Stadtschreiber nach Graz kam und blieb. Mit dem Roman „Tram 83“ wurde er weit über seine kongolesische Heimatstadt Lubumbashi und seine neue Heimat in der Steiermark hinaus bekannt. Nach zehn Jahren im Kernöluniversum schreibt er seine Texte nun auch in deutscher Sprache. „Sprache ist wichtig, sie ist wie eine Brücke zu anderen.“

Als Schriftsteller sei es ihm leichtgefallen, in Österreich anzukommen. „Mein erster Pass ist immer die Literatur.“ Er habe über Musik und Bücher schon vorher viel über das Land erfahren. Sein Bild von Österreich prägten Thomas Bernhard, Ingeborg Bachmann und Ernst Jandl. „Mit Bernhards Stück ,Heldenplatz‘ habe ich Deutsch gelernt“, sagt er lachend. „Ich bin fasziniert, wie Bernhard oder Jandl mit Sprache arbeiten.“

Dialekt ist eine Sprache der Intimität

„Drei oder vier Jahre habe ich gebraucht, um mich im Dialekt zurechtzufinden. Ich beschäftige mich viel mit Menschen, die eher am Rand stehen. Dort spricht man viel Dialekt“, erzählt Mwanza Mujila. „Dialekt ist eine Sprache der Intimität. Es ist eine sehr direkte und ehrliche Sprache.“ Deshalb suche er stets nach Begriffen. „Wenn ich ein Wort im Fernsehen höre, schreibe ich es mir auf und verwende es oft in meinen Texten.“ Zum Beispiel das Wort „Bierchen“. Man könne es nicht direkt ins Französische übersetzen. Deshalb suche er dann nach Entsprechungen. „In dieser Reise durch die Sprache liegt eine Faszination.“

Die Grazer empfinde er als sehr offene Menschen. „Die Stadt ist in den zehn Jahren kosmopolitischer geworden. Sie ist auf dem Weg zu einer Metropole mit ihren vielen Sprachen“, sagt der Schriftsteller. Es gebe aber Plätze, wo nur Österreicher hingehen. Oder nur Afrikaner. An vielen Orten der Stadt seien aber alle gemeinsam. „Ich bin sowohl hier als auch in Lubumbashi jeweils immer Österreicher und Kongolese.“ Beide Städte seien wegen ihrer Größe und kulturellen Vielfalt vergleichbar.

Die Frage nach der Integration lässt Mwanza Mujila allerdings zögern. Integration bedeute doch oft, seine Kultur zu vergessen. „Das darf es aber nicht heißen. Ich würde es Adoption einer neuen Kultur nennen.“ Die Steirer seien aber empfänglich für neue Ideen und neugierig auf neue Kulturen. Es gebe dennoch viele Klischees über fremde Kulturen. Er selbst kämpfe damit. „Rassismus kommt von Ignoranz und Unwissenheit.“ Österreich habe nie eigene Kolonien gehabt und das habe die Menschen anders geprägt als in Frankreich. Viele Wissenschaftler hätten früher über Afrika geschrieben, um die Sklaverei zu legitimieren. „Der kongolesische Philosoph Mudimbe nennt das koloniale Bibliothek“, sagt Mwanza Mujila. Das wirke bis heute im Bild über Afrika nach. „Ich sehe mich deshalb als Schriftsteller auch in der Rolle eines Pädagogen gegen die Klischees.“