Viele Österreicher werden diese Ehrung gut nachvollziehen können: Komplexitätsforscher Peter Klimek, seit langem quasi ein fixer Bestandteil der Pandemiebewertung, -begleitung und -erklärung, wurde gestern als „Wissenschaftler des Jahres 2021“ ausgezeichnet.

Es ist eine Ehrung, die von den österreichischen Wissenschaftsjournalisten vergeben wird. Gewürdigt wird dabei nicht nur die wissenschaftliche Expertise, sondern die Fähigkeit und Bereitschaft des Wissenschaftlers oder der Wissenschaftlerin, dies auch den Menschen gut erklären zu können.

Der Physiker Klimek konzentriert sich zwar derzeit auf die Pandemie, aber die Arbeit des 39-jährigen Wissenschaftlers geht weit darüber hinaus. Er beschäftigt sich mit Komplexitätsforschung an der Medizinuni Wien am sogenannten Complexity Science Hub (CSH), das von Stefan Thurner gegründet wurde, der selbst vor vier Jahren Wissenschaftler des Jahres war. Dort werden etwa Modellrechnungen zu Covid erstellt.

Was ist Komplexitätsforschung? Es geht dabei um das Zusammenwirken komplexer Systeme. Diese Systeme zeichnen sich etwa dadurch aus, dass oft zu überraschenden Entwicklungen führen, die man den Einzelteilen nicht ansieht: „Aus Millionen von Begegnungen von Menschen ergeben sich Pandemiewellen“.

Tatsächlich sind heute in der Medizin und auch bei der Modellierung von ganzen Gesellschaften Methoden möglich, die ursprünglich aus der Physik stammen. „Big Data“ spielt dabei eine Schlüsselrolle. Im Vorjahr wurde der Physik-Nobelpreis an drei Physiker vergeben, die sich mit komplexen System befassen. Es ist eine moderne, stark computergestützte Form der Systemtheorie.

Klimek sitzt aber eben nicht nur im Kämmerlein, sondern erprobt seine Erkenntnisse auch in aller Öffentlichkeit. Er scheute sich auch gestern bei der Preisverleihung nicht, kritisch zu sein: In Österreich herrsche die Tendenz der Politik, sich Experten zu holen, die das bestätigen, was Politiker hören wollen. Andererseits ortet er umgekehrt bei manchen Wissenschaftlern eine gewisse „Eminenzhörigkeit“.

Klimek will aber auch eine Lanze brechen für Politik und Verwaltung: Er habe jetzt mehr Verständnis für die Schwierigkeiten der Politiker. Und er sehe die vielen Menschen in den Institutionen und Ministerien, die sich redlich bemühen, die Pandemie gut zu verstehen.

Der gebürtige Wiener hat bereits 60 Publikationen verfasst. Er ist Vater zweier Kinder, hält sich aber privat sehr bedeckt. Schließlich ist er selbst stark exponiert: etwa als Mitglied der Gecko-Komission.

Nach der Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl als "Wissenschafterin des Jahres 2020" ist Klimek nun bereits der zweite Ausgezeichnete aus der Riege der Forscher, die sich zuletzt stark um das Management der Pandemie verdient gemacht haben. In den Jahren davor haben die Historikerin Barbara Stelzl-Marx (2019), Nuno Maulide (2018), Stefan Thurner (2017) und die Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer (2016) die Auszeichnung erhalten.