Die Ampel-Kommission wie auch das Covid-Prognosekonsortium sehen aufgrund der Delta-Variante eine "hohe Wahrscheinlichkeit" für eine vierte Corona-Welle. Offen ist der Zeitpunkt des Eintreffens und des Ausmaßes. Im Fall des Falles empfiehlt das Konsortium auch die Wiedereinsetzung von Maßnahmen wie verstärkte Maskenpflicht oder auch "Social Distancing".

In der End-Version eines Policy Briefs des Prognosekonsortiums zur Risikobewertung der Delta-Variante, den das Konsortium im Auftrag des Gesundheitsministeriums erstellt hat, heißt es, dass die Maximierung der Durchimpfungsrate (Vollimmunisierung) "oberste Priorität" haben müsse.

In dem der APA ebenfalls vorliegenden Rohbericht des Briefes wird darüber hinaus auch eine Wiedereinführung diverser Maßnahmen - abhängig von den Fallzahlen und den Belastungen des Gesundheitssystems empfohlen. Die (aktuell in breiten Bereichen abgeschafften) FFP2-Maskenpflicht sollte demnach ab einem Schwellenwert einer risiko-adjustierte Sieben-Tages-Inzidenz von 25 wieder eingeführt werden. Derzeit ist man mit zuletzt 7,3 Fälle pro 100.000 Einwohner freilich weit entfernt davon - ein ähnlich hoher Wert war zuletzt Ende März erreicht worden.

Verschärfte Maßnahmen

Bei steigenden Hospitalisierungen auf den Normalstationen wird auch die Wiedereinführung des "Social Distancing" angeraten, etwa die Wiedereinführung des Zwei-Meter-Abstandes. Im Fall eines kontinuierlichen Ansteigens der COVID-Patienten auf den Intensivstationen (was aus derzeitiger Sicht als wenig wahrscheinlich gilt) wird auch neuerlich ein "Lockdown light" in Betracht gezogen, u.a. mit erneuter Schließung von Freizeiteinrichtungen und Einschränkungen bei Zusammentreffen. Ein echter "Lockdown" wird nur bei einer Annäherung an eine "systemkritische" Auslastung der Intensivstationen empfohlen.

Sowohl im Rohbericht als auch in der Endversion betonte das Konsortium, dass aus vorliegenden Daten (vor allem aus Großbritannien) sich festhalten lasse, dass "die Delta-Variante deutlich übertragbarer (transmissibler), als die bisher dominante Alpha-Variante (B.1.1.7) ist". Erste Schätzungen würden auf eine Transmissibilität hindeuten, die etwa um 50 Prozent höher im Vergleich zur bisher dominanten Alpha-Variante sei. "Im Vereinigten Königreich ist die Delta-Variante derzeit mit einer Prävalenz von über 90 Prozent bereits dominant", hieß es.

Die Experten rechnen bereits im Juli mit "ähnlichen Prävalenzen" wie im Vereinigten Königreich. Dies sieht auch die Virologin Monika Redlberger-Fritz (MedUni Wien) so: "Das ist wahrscheinlich die Ruhe vor dem Sturm", sagte sie in der "ZiB2" des ORF am Donnerstagabend zur aktuellen Situation. Auch sie betonte die Notwendigkeit einer hohen Durchimpfung - denn in Großbritannien sehe man aktuell, dass zwar die Fallzahlen stark ansteigen, Dank der hohen Impfrate aber die Zahl der Hospitalisierungen nur "ganz, ganz langsam" mitziehe.

Sehr skeptisch zeigte sich die Expertin, was allfällige Großveranstaltungen wie etwa Musik-Festivals betrifft: Dies sei nur mit "äußerster Vorsicht" möglich, am besten wäre es weiterhin, möglichst Abstand zu halten. Klare Ablehnung kam für einen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ins Spiel gebrachten Wegfall der Maskenpflicht in Handel oder Öffentlichen Verkehrsmitteln. "Ich bin eine sehr starke Befürworterin des Maskentragens."

Trotz der erwarteten raschen Zunahme der Delta-Variante mit Austausch der gegenwärtig dominierenden Alpha-Variante in Österreich rechnet das Konsortium auf Sicht nicht mit allzu großen Problemen: "Ein systemkritischer Belag in den Krankenanstalten ist im Sommer 2021 jedoch unwahrscheinlich."

Vierte Welle: Datenlage noch ruhig

Die Erhöhung der Durchimpfungsrate und der Impfbereitschaft in allen Bevölkerungsgruppen sei aber "essenziell, denn: "Bei einer Durchimpfungsrate (Vollimmunisierung) von 70 Prozent ist der hypothetische Schwellwert der Herdenimmunität für die Delta-Variante noch nicht erreicht, insbesondere in der kälteren Jahreszeit." Selbst bei einer Durchimpfungsrate von 70 Prozent (Vollimmunisierung) oder höher sei "davon auszugehen, dass es in Bevölkerungsgruppen mit geringer Durchimpfung zu größeren Clustern oder zur unkontrollierten Übertragung in diesen Bevölkerungsgruppen kommen kann".

Die Ampel-Kommission teilte diese Einschätzung hinsichtlich einer vierten Welle - noch aber ist laut deren Daten die Lage ruhig. Die Covid-spezifische Belastung der Intensivstationen sank zuletzt auf 2,2 Prozent und dürfte vorläufig weiter nach unten gehen. Die Durchimpfungsrate hat ein Niveau von 62 Prozent erreicht. Auch die Kommission pocht ehest möglich auf Maßnahmen, diesen Wert nach oben zu drücken.

Die Corona-Ampel erfuhr indes diese Woche kaum eine Farbänderung. Nur Vorarlberg rückte in die Grüne Zone, die sehr geringes Ansteckungsrisiko ausdrückt. Damit befinden sich bloß noch die drei östlichen Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland ebenso wie der Gesamtstaat in der gelb-grünen Zone, die für geringes Risiko steht.