Die Zunahme des Bodenverbrauchs im 83.879 Quadratkilometer großen Österreich hat neuerlich abgenommen. Was auf den ersten Blick wie eine gute Nachricht klingt, ist zwar erfreulich, aber noch lange nicht ausreichend. "Im Jahr 2020 wurde weniger Boden neu beansprucht als 2019. Das ist eine gute Nachricht", sagt Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne). "Doch wir befinden uns nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau."

Der Flächenfraß in Österreich nimmt also weiterhin zu. Im Jahr 2020 wurden laut Umweltbundesamt 39 Quadratkilometer Fläche neu beansprucht. Im Dreijahresmittel liegt dieser Wert sogar bei 42 Quadratkilometern - das entspricht etwa der Größe von Eisenstadt oder zwölf New Yorker Central Parks. Dennoch: Im Jahr 2012 lag der Mittelwert noch bei 89 Quadratkilometern. 

"Klarer Auftrag" an Regierung

Im Umwelt- und im Landwirtschaftsministerium werte man die aktuellen Zahlen als "klaren Auftrag" an die Bundesregierung - also an sich selbst. "Wir müssen den Flächenfraß reduzieren und unseren wertvollen Boden besser schützen", betont Gewessler. Konkret bedeutet das, den Flächenverbrauch bis 2030 auf 2,5 Hektar pro Tag zu reduzieren. In den vergangenen Jahren wurden durchschnittlich allerdings 11,5 Hektar am Tag verbraucht. Den größten Anteil nehmen übrigens Bau- und Betriebsflächen ein. 

Unterschieden werden muss zwischen Bodenverbrauch und Bodenversiegelung, wo der Erdboden mit einer wasser- und luftundurchlässigen Schicht überzogen wird. In den vergangenen drei Jahren wurden in Österreich zwischen etwa 42 Prozent der neu in Anspruch genommenen Flächen versiegelt. "Kein Land Europas geht mit seinem Boden so sorglos um wie Österreich", klagt Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung. "In dieser Hinsicht sind wir schon Europameister." Zum von den Ministerien präsentierten Zielwert bemerkt er: "Der wurde schon im Jahr 2002 festgelegt. Es passiert viel zu wenig."

Unwiederbringliche Zerstörung

Die verbrauchten Flächen schränken nicht nur Lebensräume für Tiere und Pflanzen ein. Erde kann Wasser speichern, CO2 binden und Hitze absorbieren. Und nicht zuletzt hängt unsere Ernährung von gesunden und fruchtbaren Böden ab. "In einer Handvoll Erde leben etwa so viele Lebewesen wie Menschen auf unserem Planeten. Versiegeln wir die Böden, beschädigen wir sie unwiederbringlich", konstatiert Weinberger. Schon jetzt ist Österreich massiv von Nahrungsmittel-Importen abhängig. Die Corona-Krise habe zusätzlich gezeigt, wie fragil unsere Lebensmittelversorgung sein kann. 

Alle Beteiligten wollen also keine oder weniger Versiegelung. Es scheitert an der Umsetzung. Raumplanung ist Länder- und Kommunalsache. Hier ortet Weinberger schon viel Potenzial: "Es braucht klare Bundesvorgaben." Umwidmungen der Gemeinden würden von Ländern einfach durchgewunken. Man müsse nur bestehendes Recht umsetzen. Dazu fordert Weinberger vermehrtes Bauen in Höhe und Tiefe, monetäre Anreizsysteme für die Revitalisierung leerstehender Immobilien oder auch den Schutz von fruchtbaren Ackerflächen vor Verbauung durch Photovoltaik. "Wir brauchen einen sofortigen Stopp des Bodenverbrauchs, sonst haben wir in 200 Jahren keine Agrarflächen mehr."