"Um es zu beruhigen" wusste sich ein junger Vater in Wien-Liesing nicht mehr anders zu helfen, als seine zehn Wochen alte Tochter mehrmals zu schütteln, berichtete die Wiener Polizei vergangene Woche. Das Mädchen musste ins Krankenhaus eingeliefert werden, am Samstagabend ist das Mädchen an den Folgen eines Schütteltraumas verstorben. Der Polizei zufolge soll die Kindesmutter die Tat beobachtet, jedoch nicht eingegriffen haben. Über beide Eltern wurde deshalb bereits am Freitag eine U-Haft verhängt. Rund um die Geburt wurde die junge Familie zwar mehrmals von der Wiener Kinder- und Jugendhilfe beraten. Eine Sprecherin betonte jedoch gegenüber der APA: "Es haben sich keine Hinweise zu einer akuten Gefährdung des Kindes gezeigt."

Die Gefahr eines Schütteltraumas wird in der Gesellschaft oft unterschätzt. Einer repräsentativen Befragung des deutschen Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH) unter 16- bis 49-jährigen Männern und Frauen zufolge glaubt jede und jeder Vierte, dass Schütteln einem Baby nicht schade. Nur acht von zehn Befragten stimmen der Aussage zu, dass man Babys niemals schütteln darf, 42 Prozent der Befragten haben noch nie vom Begriff "Schütteltrauma" gehört. Dabei gelten Schütteltraumata als häufigste Todesursache nach Fremdeinwirkung bei Säuglingen. 

Meist schwere medizinische Folgen

Wie der aktuelle Fall zeigt, können die medizinischen Folgen schwerwiegend sein. "Beim Schütteln fällt der Kopf des Babys nach vorne und hinten. Denn die Nackenmuskulatur ist noch zu schwach, um den Kopf zu halten", sagt Reinhold Kerbl, der Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde und Primar am LKH Hochsteiermark Standort Leoben. "Dabei bewegt sich die Gehirnmasse hin und her, wodurch Blutgefäße reißen können und es zu Hirnblutungen und Verletzungen kommen kann", erklärt der Mediziner. Auch in der Augennetzhaut sind Blutungen möglich. 10 bis 30 Prozent der Babys sterben an den Folgen eines Schütteltraumas, dagegen überlebt nur gut jedes zehnte Baby ein solches ohne bleibende Schäden.

"In diesen Handlungen wird oftmals die Überforderung von Eltern deutlich", sagt Hedwig Wölfl von "die möwe", die in fünf Kinderschutzzentren in Wien und Niederösterreich Unterstützung bei Gewalterfahrungen anbieten. Damit es durch diese Überforderung nicht zu Gewalt kommt, gibt es für betroffene Eltern Unterstützung im ganzen Land. 26 regionale Netzwerke der Frühen Hilfen sind beratend und unterstützend aktiv, sechs Krankenhäuser betreiben auch eigene Schreiambulanzen.

Mit "Schreibabys" unbedingt zum Kinderarzt

Generell sei es aber "nicht ungewöhnlich, dass gesunde Babys im zweiten und dritten Lebensmonat auch mal zwei bis drei Stunden am Tag weinen – insbesondere in den Abendstunden", sagt Primar Kerbl. Von sogenannten Schreibabys sprechen Experten, wenn ein Kind mehr als drei Stunden am Tag, mehr als dreimal pro Woche mindestens drei Wochen lang schreit. In solchen Fällen sollen sich die Eltern jedenfalls an den Kinder- und Jugendarzt wenden. "Der Pädiater kann dann sicherstellen, dass keine Krankheit die Ursache für das Schreien ist und die Eltern in den meisten Fällen beruhigen", sagt Kerbl.