Lockdowns, Homeschooling, Distancelearning: Das Unvorhersehbare, Unregelmäßige, die sich ständig ändernden Regeln und Strukturen waren für alle eine Herausforderung, für Autisten aber eine besondere Belastung. Eine Autismus-Spektrum-Störung – so die korrekte Bezeichnung – kann sich durch die Corona-Bedingungen verstärkt haben, bestätigt Wolfgang Kaschnitz, Obmann des Vereins „Libelle“, der Betroffene betreut und fördert. Es ist eine von (nur) vier derartigen Einrichtungen in der Steiermark. Entsprechend stark ist der Zulauf.


Dass die Nachfrage wächst und größer als das therapeutische Angebot ist, ist seit Jahren österreichweit virulent. Zuletzt thematisierte die Diakonie die wenig zufriedenstellende Situation. Die Gründe sind vielfältig. Zum einen hat sich durch eine Umstellung des Diagnosesystems vor acht Jahren das Spektrum der unter dieses Krankheitsbild fallenden Symptome erweitert, erklärt Kaschnitz, der hauptberuflich als Kinderarzt am LKH Uniklinikum Graz tätig ist. So gilt heute die Maßzahl von bis zu einem Prozent der Bevölkerung, das eine Autismus-Spektrum-Störung hat, sagt Kaschnitz. Die Diakonie nennt übereinstimmend rund 80.000 Österreicher als Betroffene.
Zum anderen haben sich die Diagnose- und Therapie-Möglichkeiten insgesamt in den vergangenen 20, 25 Jahren enorm verbessert.

Außerdem sind Sensibilität, Bewusstsein und Wissen im pädagogischen Personal von Kindergärten und Schulen für diese Verhaltensauffälligkeit gestiegen. Dazu kommt, dass eine tatsächliche Therapie langwierig und aufwendig ist, sich bis ins Erwachsenenalter dehnen kann. So kommen deutlich mehr neue Patienten dazu als therapiert entlassen werden können.


Das bringt das System an seine Auslastungsgrenzen – und darüber. „Als wir vor elf Jahren begonnen haben, hatten wir 15 Klienten, heute sind es 150“, bestätigt Helmut Mayer die Entwicklung. Mayer ist Obmann des Vereins „Magnus“, der mit einem Team von neun Psychologinnen Betroffene und auch Eltern von autistischen Kindern in eigenen Gruppen betreut.

Vereine übernehmen vermittelnde Rolle


Die Vereine übernehmen dabei eine vermittelnde Rolle zwischen Patienten und den in eigenen Praxen arbeitenden Therapeuten. Die Kosten werden in der Steiermark über das Behindertengesetz abgegolten – österreichweit übernimmt das Land damit eine Vorreiterrolle, loben die Trägervereine.


Es ist ein kostenintensives Angebot. Allein die Diagnose kann, wenn beispielsweise bei komplexeren Fällen eine einfache klinische Abklärung nicht reicht, mehrere Termine und bis zu zehn Stunden für den Patienten und noch einmal fünf Stunden für die Diagnose in Anspruch nehmen. Es gibt zwar Ansätze, diese Behandlungsschritte zu straffen, was bleibt, ist aber ein bundesweit sehr löchriges Grundversorgungsnetz. Bei „Libelle“ plant man daher, Nebenstellen im Raum Leoben und Leibnitz zu eröffnen.
Bis dahin heißt es für die betroffenen Kinder und ihre Familien vielfach „Bitte warten!“. „Es ist eine harte, aber ehrliche Antwort“, bedauert Mayer.