Die Meldungen zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger im Internet und zur NS-Wiederbetätigung im Web bei der Hotline "Stopline" haben sich im Vorjahr gegenüber 2019 verdreifacht. Gingen 2019 bei der vom Verband der österreichischen Internetprovider (ISPA) betriebenen Meldestelle 9.106 Meldungen ein, waren es im Vorjahr 26.992. 29 Prozent der Meldungen 2020 waren tatsächlich strafrechtlich relevant, wie "Stopline"-Projektleiterin Barbara Schlossbauer am Donnerstag sagte.

Der "Schuldige" dürfte einmal mehr die Corona-Pandemie sein. Home Office, Home Schooling und Ausgangssperren dürften dazu geführt haben, dass sich die Menschen deutlich mehr im Internet bewegten und daher auch häufiger auf illegale Inhalte stießen. Mit mehr als 7.000 Meldungen war der Oktober der mit Abstand stärkste Monat des Vorjahres, so Schlossbrauer bei einer Online-PK. "Stopline" hat das Ziel, illegale Inhalte aus dem Internet dauerhaft zu entfernen, wenn es um die pornografische Darstellung von Minderjährigen im Internet (Paragraf 207a Strafgesetzbuch) geht.

Wie jedes Jahr betraf der Großteil der Meldungen - etwa 80 Prozent - vermuteten sexuellen Missbrauch. Der Rest verteilt sich zu je etwa zehn Prozent auf NS-Inhalte und "Sonstiges". In den 22 Jahren ihres Bestehens gingen bei "Stopline" bisher rund 133.000 Meldungen ein, von denen 31.000 tatsächlich relevant waren, was einer Trefferquote von knapp einem Viertel (23,3 Prozent) entspricht. 2020 lag mit den rund 29 Prozent deutlich darüber, was ISPA-Vorstand Peter Oskar Miller damit erklärte, dass viele User im Home Office wohl auch mehr Zeit zum gezielten Suchen hatten: "Eines muss man schon sagen: Man stolpert nicht zufällig über solche Inhalte."

Klarer Anstieg verzeichnet

Wie immer in den vergangenen Jahren lag nur ein Bruchteil der eingegangenen Meldungsinhalte auf in Österreich gehosteten Servern. In Absolutzahlen bedeutete dies dennoch einen deutlichen Anstieg gegenüber den vorangegangenen Jahren. 83 Meldungen waren um 80 mehr als 2019. Allerdings relativiert ein genauerer Blick darauf die Sache, wie Schlossbauer betonte: Eine Meldung betraf NS-Inhalte, von den anderen 82 waren acht originäre Meldungen und 30 Doubletten dazu. Weitere 44 von der Partnerhotline in Australien gemeldete Urls bezogen sich auf eine einzige Internetadresse. Damit wäre man bei neun, was in etwa dem Trend der Verdreifachung insgesamt gegenüber 2019 entsprechen würde.

In Österreich gehostete Inhalte machten insgesamt etwa ein Prozent aus. "Alle in Österreich gehosteten Inhalte wurden innerhalb von 48 Stunden nach unseren Hinweisen von den Providern gelöscht", betonte Schlossbauer. Parallel dazu ergeht immer auch die Meldung an die Strafverfolgungsbehörden, wobei davon die User nicht betroffen sind, die den Inhalt melden. "Ich lege Wert darauf zu betonen, dass unsere Meldestelle Anonymität garantiert", sagte Schlossbauer.

Die weitaus meisten Inhalte werden im Ausland gehostet. Je 34 Prozent der Meldungen betrafen Hosts in den USA und Hongkong. Bedeuten die USA keinen Ausreißer, so kam Hongkong völlig überraschend - im Vorjahr kamen weniger als ein Prozent der Meldungen zu Inhalten in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Das dürfte Miller zufolge aber ein Ausreißer sein: Erstens gibt es in Hongkong keine Partnerhotline, zweitens gibt es einen großen Host eines Forums dort, aus dem besonders viele Meldungen an "Stopline" gehen.

An dritter Stelle liegen mit 16 Prozent der gehosteten und gemeldeten Inhalte die Niederlande. Was auf den ersten Blick sehr hoch aussieht, stellt sich bei genauerer Betrachtung anders dar: 2018 kamen 38 Prozent der Meldungen zu Inhalten in den Niederlanden (Platz zwei hinter den USA), 2019 landete das Land mit 55 Prozent der gehosteten bedenklichen Inhalte mit großem Abstand auf Platz eins. Schlossbauer zufolge haben die Niederlande große Anstrengungen - unter anderem rechtlicher Natur - unternommen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Vier sogenannte "Bulletproof Hosts" hatten dort zuvor de facto garantiert, dass von ihnen gehostete Inhalte auch im Netz blieben. "Bulletproof Hosts" sind solche, die nicht oder nur sehr zögerlich auf Hinweise von NGOs oder Behörden reagieren, wenn es darum geht, solche Inhalte zu entfernen.

Miller wies darauf hin, dass die Internet Service Provider Austria, wofür ISPA korrekt steht, und "Stopline" auch in der Prävention tätig sind. So wurde jetzt eine Infobroschüre veröffentlicht, die sich mit "Hasspostings" auseinandersetzt und hier heruntergeladen werden kann.