Bildungsminister Heinz Faßmann hat am Freitag genauere Informationen zur diesjährigen Zentralmatura bekannt gegeben. Die mündliche Matura ist zum Beispiel freiwillig, außerdem soll es Erleichterungen im Fach Mathematik geben. Mehr dazu hier.

Die Schüler, die lange für eine "faire" Matura dieses Jahr gekämpft haben, zeigen sich zufrieden. Kritikerbemängeln aber unter anderem, dass die mündliche Matura freiwillig ist. Es werde auf einen Teil der Reifeprüfung verzichtet - das Präsentieren und spontane Beantworten - , der im späteren Leben von großer Bedeutung ist. Ist die heurige "Corona-Matura" weniger wertvoll? Werden Maturanten in Zukunft zu kämpfen haben, weil sie keine "richtige" Reifeprüfung hatten? Nein, meint die Bildungspsychologin Christiane Spiel. Die Expertin von der Universität Wien bewertet die neuen Regelungen im Interview mit der Kleinen Zeitung positiv.

Was halten Sie von der Regelung, die heute bekannt wurde?
CHRISTIANE SPIEL: Ich halte die Regelung für sinnvoll und gut nachvollziehbar. Es ist gut und wichtig, dass es - mit der kleinen Ausnahme, dass man bei den schriftlichen Arbeiten zumindest 30 Prozent der Punkte erreichen muss - dieselbe Regelung ist, wie im vorigen Jahr. Eine grundsätzliche Änderung wäre schwer begründbar gewesen.

Wie beurteilen Sie, dass die Jahresleistung in die Matura-Note einbezogen wird?
Das ist sinnvoll, da damit eine punktuelle Leistung, die dazu noch in einer Stresssituation erbracht wird, durch eine längerfristige ergänzt wird.

Und die freiwillige mündliche Matura? Macht die Sinn?
Dadurch, dass die mündliche Matura freiwillig ist, ist es möglich zu zeigen, was man kann und weiß, muss es aber nicht.

Was halten Sie von der vorwissenschaftlichen Arbeit? Die Präsentation der Arbeit ist ja dieses Jahr auch freiwillig.
Die vorwissenschaftliche Arbeit ist zwar grundsätzlich ein guter Ansatz, aber ich fand es immer schon dahingehend problematisch, dass die Maturanten hier sicherlich sehr unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten in ihrem Umfeld haben, was in Covid-Zeiten eine noch größere Rolle spielt.

Wie wertvoll ist eine solche "Corona-Matura"?
Die Matura ist anders als in früheren Jahren - aber aus meiner Sicht sicherlich nicht weniger wert. Die Maturanten hatten ganz andere Herausforderungen als die Jahrgänge davor. Diese betreffen die Selbstorganisation, die viel mehr gefordert war – insbesondere die Selbstmotivierung, den Umgang mit Distance Learning, die Einschränkung der Möglichkeiten miteinander und voneinander zu lernen, sich soziale Zufuhren von Freunden zu holen und vieles mehr. Mit all dem mussten sie umgehen lernen. Damit haben sie aber auch Kompetenzen erworben, die ihnen für ihr späteres Leben sehr hilfreich sein werden. Selbstorganisiertes Lernen ist zum Beispiel eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches lebenslanges Lernen. Auch die Resilienz, die sie bewiesen haben, wenn sie trotz Covid erfolgreich maturieren, ist hilfreich für den Umgang mit künftigen Herausforderungen.

Ist die diesjährige Matura also nicht weniger wert?
Ich sehe das nicht so. Allerdings sollte Covid den Anlass geben, die Matura zu überdenken und weiterzuentwickeln. Ich finde den Einbezug früherer Leistungen sehr sinnvoll. Auch die vorwissenschaftliche Arbeit könnte überdacht werden. Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass es nach 12 oder 13 Jahren Schule – mit und in der man so viel Zeit verbracht hat – einen ritualisierten Abschluss gibt.