Seit dem Ausbruch der Coronakrise gehen die Österreicher deutlich mehr zu Fuß oder fahren mit dem Rad. Das ergab eine Umfrage des Instituts TQS im Auftrag des Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Demnach gaben 43 Prozent der insgesamt 1000 Befragten an, seit der Pandemie mehr als Fußgänger unterwegs zu sein, 26 Prozent nutzen auch das Fahrrad häufiger. Jeder Zweite teilte die Einschätzung, dass der Anteil der Fußgänger und Radler auch nach Ende der Coronakrise größer bleiben werde als davor. Diesem an sich erfreulichen Trend stehe in Österreich allerdings eine Reihe an Hindernissen entgegen, kritisiert der VCÖ in einer aktuellen Studie und fordert mehr Platz für aktive Mobilität sowie Anpassungen in der Straßenverkehrsordnung (StVO).

Mehr als 700.000 Autofahrten pro Tag sind in Österreich laut der Studie kürzer als einen Kilometer, mehr als vier Millionen Fahrten enden bereits nach weniger als fünf Kilometern. Ein guter Teil davon ließe sich problemlos durch sanfte Mobilität ersetzen, sagt VCÖ-Experte Michael Schwendinger. "Das Problem ist aber, dass es für den Fußgänger- und Radverkehr zu wenig Platz gibt." Fehlende oder viel zu schmale Gehsteige, die durch Verkehrsschilder oder Verteilerkästen zusätzlich beschnitten werden, bremsen die Fußgänger ebenso aus wie Ampeln mit langen Rot- und kurzen Grünphasen. Dabei sollten laut den offiziellen Planungsrichtlinien Gehsteige und Radwege mindestens zwei Meter breit sein, Radwege mit Gegenverkehr sogar drei Meter. "Die Realität sieht auf vielen Straßen anders aus, selbst abgestellten Autos wird meist mehr Platz gegeben als den Bürgerinnen und Bürgern", kritisiert Schwendinger. In Wien etwa seien 38 Prozent aller Gehsteige schmäler als zwei Meter.

Erst kommt das Auto, dann der Mensch: Derart gestaltete Gehsteige sind in Österreich keine Seltenheit
Erst kommt das Auto, dann der Mensch: Derart gestaltete Gehsteige sind in Österreich keine Seltenheit © VCÖ

Neben einer Infrastrukturoffensive und fußgänger- und radlerfreundlicheren Ampelphasen fordert der VCÖ auch rechtliche Anpassungen. So seien in der StVO nach wie vor zahlreiche Bestimmungen verankert, die das Gehen und Radfahren erschweren. Schwendinger nennt als Beispiel den Sondernachrang für Radfahrer, die einen Radweg verlassen, und tritt stattdessen für ein Reißverschlusssystem ein. "Die StVO ist nach wie vor auf den Autoverkehr fokussiert, andere Gruppen werden benachteiligt." Das führe laut VCÖ dazu, dass sich Radler und Fußgänger oft gefährdet fühlen und deshalb erst recht ins Auto steigen, was das Problem weiter verschärfe.

So viel Platz beanspruchen die unterschiedlichen Fortbewegungsmittel rechnerisch
So viel Platz beanspruchen die unterschiedlichen Fortbewegungsmittel rechnerisch © VCÖ

Für die Ortsgebiete fordert der VCÖ deshalb generell Tempo 30. Nur wo es die Verkehrssicherheit explizit zulasse, sollen weiter 50 km/h erlaubt sein. Derzeit befindet sich die StVO in einem Novellierungsprozess. Tempo 30 in Ortsgebieten soll dabei aber kein Thema sein, wie zu hören ist.