Ein mehr als zwei Jahre dauernder Prozess ging am Mittwoch in die letzte Runde - und endete mit einer Überraschung. Der Betreiber eines Craftbeer-Shops zog seine Klage gegen Sigrid Maurer, die Klubobfrau der Grünen, zurück. Und zwar „zur Gänze“, wie Richter Hartwig Handsur erklärte.

Den Anfang machten obszöne Nachrichten

Die Vorgeschichte ist lange und nicht gerade unkompliziert: Im Mai 2018 hatte Maurer online veröffentlicht, dass sie vom Besitzer eines Wiener Biergeschäftes über den Facebook-Nachrichtendienst Messenger obszöne Nachrichten bekommen habe. „Gestern hat er mich da blöd angeredet und mir diese Nachrichten geschickt“, berichtete Maurer und veröffentlichte einen Screenshot der Botschaft mit primitiven, eindeutig sexuell anzüglichen Inhalten.

Erste Runde: Schuldspruch für Maurer

Der Geschäftsbesitzer wurde daraufhin von Usern mit Beschimpfungen überschwemmt und mehrfach bedroht. Sein Lokal erhielt zudem schlechte Online-Bewertungen. Der 40-Jährige bestritt, der Verfasser der Nachricht zu sein - und klagte. Zunächst einmal bekam er Recht: Im Oktober 2018 wurde Sigrid Maurer am Landesgericht Wien (nicht rechtskräftig) wegen übler Nachrede verurteilt. Sie konnte in dem Prozess nämlich nicht beweisen, dass der Shop-Inhaber die Nachricht tatsächlich verfasst hatte. Er meinte, sein PC samt Facebook-Account sei auch den Gästen zur Verfügung gestanden.

Maurers Anwältin legte Berufung ein, das Oberlandesgerichtshof hob fünf Monate später das Urteil auf: Der Prozess musste wiederholt werden.

Zweite Runde: Freispruch für Maurer

Auch im zweiten Durchgang zog sich die Rechtssprechung dahin, Zeugen erschienen nicht, der Prozess wurde mehrmals vertagt. Der Wirt brachte "Willi" ins Spiel, einen Freund, der die Nachrichten angeblich geschrieben hätte, und legte einen handgeschriebenen Brief mit Willis angeblichem Geständnis vor. Willi wurde vor Gericht geladen, tauchte aber nicht auf - bis heute.

Entgegen der Darstellung des Lokalbetreibers beteuerte er gegenüber Journalisten, die Nachrichten an Maurer nicht verfasst zu haben: "Ich hab' nicht einmal Facebook." Er kenne zwar das Lokal und den Besitzer, trinke aber kein Bier, hatte er zuvor anderen Medienvertretern erklärt. Außerdem sei er zum Tatzeitpunkt im Spital gelegen.

Willis Einvernahme war allerdings nicht mehr erfolgreich. Denn diesmal fehlte ein anderer: der Bierwirt selbst. Durch seinen Anwalt ließ er verkünden, dass er die Klage gegen Maurer zurückzieht. "Er hatte das Gefühl, dass er diesen Prozess nicht gewinnen kann, obwohl er recht hat", sagte der Anwalt. Maurer sei "politisch und wirtschaftlich stärker aufgestellt" als der Wirt.

Maurer wurde folglich freigesprochen. Der Wirt muss die Kosten des Verfahrens tragen

Konsequenz: Gesetze gegen Hass im Netz

Die "Causa Bierwirt" gilt als Anlassfall für das umfassende Gesetzespaket gegen "Hass im Netz", das die Regierung über den Sommer ausarbeitete. Betroffenen wie Maurer gibt das neue Gesetz ein einfaches, schnelles Werkzeug in die Hand, sich zu wehren: ein „Mandatsverfahren“, das unkompliziert eingeleitet wird und schnell Abhilfe schaffen soll.

"Ich bin froh und erleichtert, dass dieses Verfahren endlich vorbei ist", sagte Maurer nach dem Prozess. Für ihre Anwältin Maria Windhager hat der Ausgang aber einen Wermutstropfen: Es wäre befriedigender gewesen, wenn die Klage nach inhaltlicher Prüfung abgewiesen und Maurer freigesprochen worden wäre.