Inakzeptabel“, sagt Minister Anschober zum Ausfall von 1,5 Millionen Corona-Impfdosen von AstraZeneca im ersten Quartal. Auch der Biontech/Pfizer-Impfstoff hat kurzfristig Lieferprobleme. Österreichs Impfstrategie für das erste Quartal ist auf den Kopf gestellt: Hat die Pharmaindustrie versagt – oder haben die Politiker zu viel versprochen ALEXANDER HERZOG: Es ist nicht die Zeit für Schuldzuweisungen. Die Produktion von Impfstoffen ist schon in Nicht-Covid-Zeiten sehr anspruchsvoll. Der Impfstoff von AstraZeneca ist noch nicht einmal zugelassen, es gibt in Europa auch keine Notfallszulassung, zur Sicherheit der Bürger. Man muss das auch so sehen: Es ist ein unglaublicher Erfolg, dass wir es geschafft haben, Impfungen innerhalb von zehn Monaten zu entwickeln. Sonst wären wir im Jahr 2024, was Lockdowns betrifft. Wichtig ist, dass wir alle transparent kommunizieren. Wir werden aufholen, aber für genaue Prognosen ist der Herstellungsprozess zu komplex.

Die Pharmaindustrie wird verdächtigt, dass sie in andere Länder, wo sie mehr Geld erhält, auch mehr Impfstoffe liefert.
HERZOG: Das ist einfach zu entkräften: Wir haben mit der EU fixe Verträge, liefern das, was 2020 bestellt wurde. Andere Regierungen haben mit ihrem Wissen andere Entscheidungen getroffen. Es ist ein Unterschied, ob ein Land mit einer Firma oder ein Zusammenschluss von 27 Ländern verhandelt.

Aber der Preis von Biontech/Pfizer ist rund sechsmal höher als jener bei AstraZeneca. 
HERZOG: Zahlreiche Medikamente haben einen größeren volkswirtschaftlichen Nutzen, als die einzelnen Präparate kosten. Nur den Nutzen generiert der Staat, das Präparat muss der jeweilige Kostenträger wie Bundesländer tragen. So lange wir nicht den gemeinschaftlichen Nutzen miteinbeziehen, werden wir diese Preisdiskussionen haben. Jetzt hat uns die Pandemie dramatisch vor Augen geführt: Die Kosten des Impfstoffes sind irrelevant im Vergleich zu Pandemiebekämpfungskosten.

Die Impfstoffe sollen unterschiedlich wirksam sein, AstraZeneca weniger Schutz bieten ...
HERZOG ... Das ist eine akademische Diskussion. Wir sprechen zwar vom Individualschutz, aber im Besonderen von einer Pandemiebekämpfung. Das bedeutet, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung impfen lassen soll, damit wir zur Herdenimmunität kommen. Der AstraZeneca-Impfstoff unterstützt das Ziel Herdenimmunität besonders, weil er einfach zu handhaben ist. Die Diskussionen kann man damit vergleichen, wenn ich beim Autokauf nur auf die „Von 0 auf 100 km/h-Beschleunigung“ schaue. Das bringt auch nichts.

Impfgegner bleiben skeptisch.
HERZOG: Ich halte die Stimmung besorgter Bürger – ich sage bewusst besorgte Bürger, weil ich mich von Radikalen distanziere, die ohne Masken und Abstand demonstrieren und so dazu beitragen, dass der Lockdown verlängert wird – für wichtig. Ebenso unsere Aufklärung. Es geht um tiefe Emotionalität, weil der eigene Körper betroffen ist.

Österreich hat in der Impfforschung de facto keine Rolle gespielt, obwohl wir Produktionsstandorte haben. Woran liegt es?
HERZOG: An der Finanzierung und an der Bürokratie. Wenn politischer Wille vorhanden ist, sollten wir zur Weltspitze zurückkehren. Was möglich ist, beweist Josef Penninger, der am ersten Medikament gegen Covid-19 arbeitet.

Zurück zur Impfung: Wann wird sich die Situation beruhigen?
HERZOG: Bis zum Sommer wird es ausreichend Impfstoffe geben. Ich habe meinen Sommerurlaub am Millstättersee schon gebucht.

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