Mit dem Tiroler Geophysiker Josef Aschbacher wird ab Juli kommenden Jahres erstmals ein Österreicher der Europäischen Weltraumorganisation ESA vorstehen. Der ESA-Rat hat den 58-Jährigen bei seinem Treffen am Donnerstag in Paris zum nächsten Generaldirektor bestellt. Er löst mit Anfang Juli 2021 den amtierenden ESA-Chef Jan Wörner ab, gab die Weltraumagentur bekannt. Aschbacher zeigte sich in einer Pressekonferenz "sehr geehrt" angesichts der "großen Herausforderung".

Der derzeitige ESA-Direktor für Erdbeobachtungsprogramme kündigte an, seinen detaillierten Plan bei seinem Amtsantritt vorzustellen. Einer seiner Schwerpunkte werde jedenfalls auf der Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der ESA und EU liegen, mit der er auf eine lange Historie der Zusammenarbeit zurückblicken könne. Außerdem wolle er Wörners Initiativen fortführen, um die Kommerzialisierung der europäischen Raumfahrtindustrie zu intensivieren. Oft stelle sich die Frage, warum Europa bisher keine Firma wie SpaceX hervorgebracht hat. Er habe "einige Ideen, wie sich das ändern kann", sagte Aschbacher, der sich zusammen mit Wörner um einen "sanften Übergang" bemühen will.

Der Österreicher hatte sich bei einem Hearing gegenüber seinen Mitbewerbern aus Spanien und Norwegen durchgesetzt und wurde von der aus Schweden kommenden Vorsitzenden des ESA-Rats, Anna Rathsman, als einziger Kandidat zur heutigen Abstimmung vorgeschlagen. Der ESA-Rat ist quasi der Aufsichtsrat der Weltraumorganisation. Dass mit Aschbacher ein Österreicher an die Spitze der ESA gelangt, gilt als kleine Sensation. "Nach 40 Jahren kommt der ESA-Chef erstmals wieder aus einem kleinen Land", hob der Direktor des Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Wolfgang Baumjohann, in einer Reaktion hervor.

Den ESA-Generaldirektor stellten bisher vor allem die großen Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien. Österreich trägt aktuell nur rund ein Prozent (rund 51 Mio. Euro) zu jenem Teil des ESA-Budgets bei, der von den Mitgliedsstaaten kommt. Dieser Anteil macht rund 70 Prozent oder 4,87 Milliarden Euro der Gesamtsumme von 6,7 Mrd. im Jahr 2020 aus.

Es liege in der ESA in der Natur der Sache, dass man die verschiedenen Sichtweisen und Interessen der kleinen und großen Länder oder des Norden und des Südens unter einen Hut bringen muss, sagte Aschbacher. Er müsse dafür sorgen, dass Lösungen und Kompromisse auf den Tisch kommen. "Genau das habe ich fast meine ganze Karriere lang gemacht", so der designierte Generaldirektor.

Aschbacher, geboren am 7. Juli 1962 in Ellmau, studierte an der Universität Innsbruck Meteorologie und Geophysik. Er blickt auf eine mehr als 30-jährige Berufserfahrung in internationalen Organisationen zurück. 2016 wurde er Direktor für Erdbeobachtung bei der ESA - der erste Österreicher, der einen Direktorenposten im ESA-Direktorium bekleidet. Mit dem Bereich verwaltet er das höchste Teilbudget der Raumfahrtagentur. Ab 1. Juli 2021 berichten die zehn Direktorate dann direkt an Aschbacher.

Vorgezeichnet war der Weg an die Spitze der rund 2.200 Mitarbeiter umfassenden Raumfahrtbehörde nicht unbedingt, sollte der am 7. Juli 1962 geborene Wissenschafter und Raumfahrtmanager doch als ältester Sohn von sechs Kindern ursprünglich den elterlichen Bergbauernhof in Ellmau übernehmen. Von der Mondlandung 1969 als Bub inspiriert, konnte er sich durch ein Stipendium und Nebenjobs den Besuch des Gymnasiums und das Studium ermöglichen. Seine Faszination ließ ihn Meteorologie und Geophysik an der Universität Innsbruck studieren.

Aschbacher heuerte nach seiner Dissertation im Jahr 1989 bei der ESA an. Seine erste Station war das ESRIN in Frascati bei Rom. Nach Aufenthalten in Asien kehrte er 1994 nach Europa zurück. In seinen sieben Jahren am EU-Joint Research Centre in Ispra (Italien) entwickelte Aschbacher das nunmehr unter dem Namen "Copernicus" bekannte EU-Erdbeobachtungsprogramm mit. Ab 2001 folgte eine siebenjährige Tätigkeit am ESA-Hauptquartier in Paris. Danach ging der Vater dreier Kinder erneut an das ESRIN nach Italien, wo er für die Programmplanung und Koordination zuständig war. 2016 wurde der Autor von mehr als 100 wissenschaftlichen Publikationen dann Direktor für Erdbeobachtung bei der ESA.

Die für die heimischen Weltraumagenden zuständige Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) würdigte den designierten ESA-Chef aufgrund seiner langjährigen Expertise als "exzellente Besetzung für diese Position". Er sei "ein Garant für die gute Zusammenarbeit zwischen ESA und der Europäischen Union", so die Ministerin, die morgen, Freitag, gemeinsam mit Aschbacher eine Pressekonferenz in Wien abhält. Diesen Aspekt hob auch die Vereinigung der österreichischen Weltraumindustrie und Forschungseinrichtungen, Austrospace, hervor: "Unter dem Management von Aschbacher konnte Ende 2019 die Finanzierung der Entwicklung einer neuen Generation von Copernicus-Satelliten sichergestellt werden, die unter anderem die globale Verteilung von CO2-Emissionen verfolgen werden." FPÖ-Verkehrssprecher, Christian Hafenecker, sieht durch Aschbachers Bestellung Österreichs Position in europäischer Weltraumpolitik "weiter gestärkt".