Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) warnt in drastischen Worten vor einer weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie in Österreich. "Was wir gerade erleben, ist der Beginn der zweiten Welle. Die Ansteckungszahlen nehmen von Tag zu Tag zu", sagte der ÖVP-Chef in einer überraschend angesetzten gemeinsamen Pressekonferenz der Regierung mit den Sozialpartnern am Sonntagnachmittag. An die Bevölkerung richtet er den "dringenden Appell", sich an die Maßnahmen zu halten.

"Waren es vor zwei Wochen noch rund 350 Ansteckungen pro Tag, lagen wir gestern bereits bei über 850. Besonders dramatisch ist die Entwicklung in Wien, wo rund 50 Prozent aller Neuinfektionen in Österreich verzeichnet werden. Und wir werden bald die Marke von 1.000 Neuansteckungen pro Tag erreichen", so die Erwartung des Kanzlers.

"Jeder kann einen Beitrag leisten - auch dazu, dass keine Arbeitsplätze verloren gehen", so der Kanzler, der drei Maßnahmen im Wirtschaftsleben vorschlägt:

  • Vorsicht vor allem im privaten Bereich, wo aktuell die meisten Infektionen zu verzeichnen sind
  • Betriebe sollen wo möglich Home-Office fortsetzen und ausbauen
  • Wo persönliche Anwesenheit notwendig ist, sollen Unternehmen auf Hygiene- und Präventionskonzepte setzen

"Das hilft mit Sicherheit: Home Office, wo es schon einmal gut funktioniert hat und wo das beiden Seiten zumutbar ist", ergänzt Vizekanzler Werner Kogler (Grüne): Als Minister für den öffentlichen Dienst will er auch gemeinsam mit den Ministerien daran arbeiten, möglichst viele Beamte von zuhause arbeiten zu lassen.

Sozialpartner unterstützen Empfehlungen

"Auch wir als Arbeiterkammer stehen hinter diesen Maßnahmen, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu wahren", sagt AK-Präsidentin Barbara Anderl. Sie wünscht sich weitere Maßnahmen für den Arbeitsmarkt - dazu lädt die AK zu einem weiteren Gipfel am Dienstag. Beim Thema Home Office will sich die Kammer bei der Ausgestaltung neuer Richtlinien einbringen. "Disziplin ist bei jedem einzelnen gefragt, ob im Betrieb oder im Privatleben", so Anderl.

"Mit Zunahme der Fälle wird auch das Home Office wieder Thema werden - wir unterstützen das", sichert auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian zu. Bei vielen Unternehmen sei bei ihren Sicherheitskonzepten noch Luft nach oben, so Katzian. Er drängt zudem auf eine Regelung, bei längerem Maskentragen ein Recht auf zusätzliche Pausen zu bekommen: "Darüber werden wir in den nächsten Tagen reden".

"Hirn einschalten" lautet der Appell von Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer: Würden im privaten Bereich viele die Maßnahmen und Empfehlungen ignorieren, habe das auch Auswirkungen auf die Wirtschaft.

Das Dashboard des Gesundheitsministeriums illustriert den deutlichen Anstieg.
Mit Stand 13.09 ist die größte Gruppe der Infizierten zwischen 25 und 34 Jahren alt. Das Virus kann sich aber in den nächsten Wochen leicht von dieser Altersgruppe auf Ältere und Risikogruppen ausbreiten.

Harter Herbst und Winter

"Ich bitte die Bevölkerung, dass sie alle Maßnahmen einhält, soziale Kontakte reduziert, den Mund-Nasen-Schutz trägt und überall so gut als möglich Abstand hält", appellierte Kurz. Insgesamt aber bleibt der Regierungschef bei seiner Ende August geäußerten Einschätzung, dass Licht am Ende des Tunnels zu sehen sei - und auch, dass der Sommer im kommenden Jahr wieder weitgehend normal sein werde. "Aber es wird für uns alle ein harter Herbst und Winter werden. Daher sind wir jetzt alle aufgerufen und gefordert, mit gleicher Disziplin und Rücksicht wie im Frühjahr, auch die Herausforderungen der kommenden Monate gemeinsam zu meistern."

Die steigen Zahlen stark an, aber es lässt sich besonders in Wien ein negativer Trend erkennen. Fast die Hälfte der Neuinfektionen werden täglich hier registriert.