Der Sturm der Entrüstung hatte es in sich. Schließlich musste Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) sogar zum "Rapport" bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen, dem Oberbefehlshaber des Österreichischen Bundesheeres. Ein Expertengremium hatte für Tanner weitreichende Umstrukturierungen ausgearbeitet und in einem Hintergrundgespräch präsentiert. Demnach wird die militärische Landesverteidigung, wie von der Kleinen Zeitung ausführlich berichtet, auf ein Minimum zurückgefahren – das Bundesheer soll sich künftig auf Cyber-Abwehr, Katastrophenschutz und Assistenzleistungen konzentrieren.

Nach der öffentlichen Empörung und dem Gespräch bei Van der Bellen ruderte Tanner zurück. Die militärische Verteidigung bleibe „im völligen Einklang mit der Bundesverfassung“ Kernaufgabe des Militärs. „Der Schutz der Bevölkerung“ stehe im Vordergrund, betont Tanner. Kasernenstandorte sollen doch erhalten bleiben. In Zukunft soll es einen „intensiveren Informationsaustausch“ geben, hieß es nach dem Gespräch.

"Österreich kann sich nicht territorial verteidigen"

Wie sind die Pläne einzuschätzen? Militärexperte Franz-Stefan Gady (International Institute for Strategic Studies) sieht in den Reformplänen ein „ein ehrliches und schlecht kommuniziertes Eingeständnis, dass es unter diesen Umständen nicht möglich ist, Österreich territorial zu verteidigen“. Das sei auch in den letzten Jahrzehnten de facto nicht möglich gewesen. „In Wirklichkeit hat man sich immer darauf verlassen, dass doch die Nato eingreifen wird“, sagt Gady zur Kleinen Zeitung.

"War Starlinger ein Depp?"

Es gebe den „verfassungsmäßigen Auftrag“, das Land zu verteidigen, betont Erich Cibulka, Milizoffizier im Rang eines Brigadiers und Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft. „Das Bundesheer wurde nicht für Hochwassereinsätze geschaffen. Katastrophenhilfe ist Aufgabe der Feuerwehr“, sagt Cibulka. Die Effizienz zu steigern und Kommanden zusammenzulegen, sei sinnvoll. „Aber was hat sich seit Herbst 2019, als der damalige Verteidigungsminister Thomas Starlinger den katastrophalen Zustandsbericht des Heeres vorlegte, an der weltpolitischen Lage verändert?“, fragt Cibulka. „Entweder war Starlinger ein Depp, der irgendetwas erzählte, oder man nimmt dieses Dokument, das unter Zuarbeitung des Generalstabes erstellt wurde, ernst.“

Gady begrüßt zwar das Bekenntnis zu Cyber-Defence, schränkt jedoch ein: „Hier müssten Hunderte Millionen oder sogar einige Milliarden investiert und eine neue Doktrin entwickelt werden. Das muss alles gut durchdacht werden. Die Frage ist, ob Österreich bereit ist, gegnerische Netzwerke aktiv auszuschalten.“

Die SPÖ spricht von „Kahlschlag“ beim Heer – Sicherheit und Neutralität seien gefährdet. Die Neos sehen, wie die anderen Oppositionsparteien, den Versuch, vom Kanzler-Auftritt im Ibiza-U-Ausschuss abzulenken. Die Grünen wollen sich die Pläne „sehr genau anschauen und mit Blick auf unsere Neutralität prüfen“.