Ich möch­te end­lich ein­mal in der Co­ro­na­zeit nur zu euch spre­chen. Wir Er­wach­se­ne sind näm­lich sehr, sehr froh, dass es euch gibt! Das sollt ihr un­be­dingt hören. Jedes Kind, jede Ju­gend­li­che und jeder Ju­gend­li­cher in Ös­ter­reich ist uns wich­tig: Du bist uns wich­tig!

Viele von euch sind in den letz­ten Wo­chen das erste Mal nach zwei Mo­na­ten wie­der in die Schu­le ge­gan­gen. Schau­en wir des­halb heute noch­mals ge­mein­sam zu­rück auf die Zeit seit Mitte März: Das Co­ro­na­vi­rus hat unser aller Leben auf den Kopf ge­stellt. Es hat das Leben von uns Er­wach­se­nen auf den Kopf ge­stellt. Aber es hat viel­leicht noch viel mehr euer Leben auf den Kopf ge­stellt. Es lie­gen zwei Mo­na­te hin­ter uns, die vor allem an­ders und meist auch schwie­rig und un­an­ge­nehm waren.

Ihr habt bei allen stren­gen Maß­nah­men mit­ma­chen müs­sen: Ihr habt nicht mehr in die Schu­le gehen kön­nen. Die Jün­ge­ren von euch wur­den nicht mehr in den Kin­der­gar­ten ge­bracht. Die Äl­te­ren von euch konn­ten ihre Lehre oder ihre Ar­beit nicht fort­füh­ren oder haben ganz ihren Job ver­lo­ren. Kein Sport­ver­ein, kein Fuß­ball­platz, keine Mu­sik­stun­den, kein Spiel­platz mehr. Plötz­lich habt ihr viel mehr zu Hause blei­ben müs­sen. Ihr und eure ganze Fa­mi­lie, mit der ihr zu­sam­men­wohnt. Da war manch­mal nicht genug Platz, damit ihr ganz al­lei­ne sein konn­tet. Viel­leicht habt ihr nicht ein­mal un­ge­stört te­le­fo­nie­ren kön­nen. Eure Freun­de und Freun­din­nen habt ihr nicht schnell im Park, am Platz tref­fen kön­nen. Es ist üb­ri­gens ganz nor­mal, dass es in so einer Zeit auch mehr Strei­te­rei­en gibt, zwi­schen Mama und Papa, zwi­schen euch und Mama, Papa, der Schwes­ter oder dem Bru­der.

Wir Er­wach­se­ne waren be­sorgt. Be­sorgt, ob in der Fa­mi­lie alle ge­sund blei­ben, die Oma, der Opa. Be­sorgt, wie es in un­se­rer Ar­beit wei­ter­geht. Be­sorgt, ob zu Hause noch genug Geld für die Miete, für das Essen, für das Ge­wand übrig bleibt. Be­sorgt, dass es euch, den Kin­dern und Ju­gend­li­chen, trotz allem noch gut geht. Es war nicht leicht. Ge­ra­de ihr soll­tet nicht sol­che schwie­ri­gen Si­tua­tio­nen durch­le­ben müs­sen. Kin­der und Ju­gend­li­che brau­chen Be­we­gung, brau­chen Frei­heit, brau­chen Si­cher­heit, brau­chen In­tim­sphä­re, brau­chen Freund­schaf­ten. All das habt ihr nicht ge­habt. Das tut mir leid, und dafür möch­te ich mich bei euch auch ent­schul­di­gen. Gleich­zei­tig will ich euch aber Danke sagen. Ihr habt Ab­stand ge­hal­ten. Ihr habt die Hy­gie­ne­maß­nah­men toll mit­ge­tra­gen und tut das noch immer.

Jedes Kind, jede Ju­gend­li­che und jeder Ju­gend­li­che von 0 bis 18 Jahre hat das Recht, ohne Ge­walt auf­wach­sen zu dür­fen. Nie­mand darf euch weh­tun, das ist in Ös­ter­reich ver­bo­ten. Lei­der hal­ten sich nicht alle Er­wach­se­nen daran. Ich hoffe sehr, dass es euch gut geht. Wenn es euch aber nicht gut geht, dann sagt uns Er­wach­se­nen das bitte auch. Wenn ihr merkt, dass der Stress immer grö­ßer wird, dann sagt es. Sucht euch eine Per­son, zu der ihr Ver­trau­en habt, und er­zählt ihr, was euch be­drückt und trau­rig macht. Das kann hof­fent­lich die Mama, der Papa oder jetzt auch wie­der eine Leh­re­rin oder ein Leh­rer sein.

Der All­tag wird jeden Tag nun leich­ter. Viel­leicht habt ihr in der Co­ro­na­zeit aber sogar gute Dinge er­fah­ren. Über­legt ein­mal! Der Schul­weg war de­fi­ni­tiv kür­zer, nur mehr vom Bett zum Handy oder Com­pu­ter, ein paar Meter ma­xi­mal? Ihr habt län­ger schla­fen kön­nen und muss­test nicht immer het­zen, oder? Hat ihr neue Spie­le ken­nen­ge­lernt, Bü­cher ge­le­sen? Seid ihr spa­zie­ren ge­gan­gen? Habt ihr erst­mals die Nach­rich­ten neu­gie­rig ver­folgt? Viel­leicht könnt ihr jetzt nach vie­len Stun­den Üben einen Spa­gat ma­chen? Tik­Tok-Tän­ze vor­füh­ren? Bei di­gi­ta­len Me­di­en und Vi­deo-Platt­for­men seid ihr tau­send­mal ge­schick­ter als wir Er­wach­se­ne. Ihr habt euch und eure Lern­zei­ten selbst or­ga­ni­siert! Gra­tu­la­ti­on! Habt ihr in den zwei Mo­na­ten nach­ge­dacht, was euch wirk­lich wich­tig ist im Leben? Habt ihr die Seele bau­meln las­sen? Viel­leicht. Ich wün­sche es euch.

In die Zu­kunft schau­en, das kann nie­mand von uns. Wir wis­sen ein­fach noch nicht, wie es wei­ter­ge­hen wird. Das ist un­an­ge­nehm, ja. Ich kann euch heute nicht ver­spre­chen, ob die Schu­le, der Kin­der­gar­ten, die Lehre, die Ar­beit, die Ver­ei­ne, die Ju­gend­treffs …, ob all das nach dem Som­mer wie­der so lau­fen wird wie frü­her. Ich kann euch heute auch nicht ver­spre­chen, dass ihr im Som­mer rei­sen, auf ein Fe­ri­en­la­ger fah­ren könnt. Wie gerne würde ich sagen, um­ar­men und küs­sen wir wie­der all un­se­re Lie­ben! Die Sor­gen wegen der An­ste­ckung sind aber noch da.

Ver­ges­sen wir auch nicht, wie es Kin­dern und Ju­gend­li­chen au­ßer­halb von Ös­ter­reich geht! Viele Kin­der und Ju­gend­li­che sit­zen in Flücht­lings­la­gern in Grie­chen­land fest. Auch sonst weit weg in der Welt, in Afri­ka, Asien oder La­tein­ame­ri­ka, trifft Co­ro­na voll die Kin­der, die schon in eurem Alter ar­bei­ten und ihr täg­li­ches Essen ver­die­nen müs­sen.

Wir sind froh, dass es euch gibt. Wirk­lich! Die Leh­rer und Leh­re­rin­nen freu­ten sich schon un­glaub­lich auf euch in den Klas­sen­zim­mern. El­tern waren froh, dass ihr jeden Tag ein­fach da wart. In der Krise nicht al­lei­ne zu sein, macht es leich­ter, sie durch­zu­ste­hen. Ihr seid der Grund für El­tern, in der Früh auf­zu­ste­hen, Essen zu ma­chen, an einen Neu­an­fang zu glau­ben. Ihr lacht und weint, ihr seid laut und leise, ihr seid gran­tig und lus­tig, ihr tobt und springt, ihr tanzt und turnt, ihr seid er­fin­de­risch und un­ge­dul­dig, Ihr seid ge­scheit und ein­zig­ar­tig. Das ist gut so. Danke euch!

Ich wün­sche euch alles Gute für die nächs­ten Tage und Wo­chen!