Die Coronakrise hat Lehrer wie Schüler vor große Herausforderungen gestellt und alternative Unterrichtsformen notwendig gemacht. Der Wiener Lehrer Martin Groß hat den „Lehrer Loisl“ erschaffen und mit praktischen Aufgaben in digitaler Aufmachung die Leidenschaft für Mathematik (neu) entfacht – nicht nur bei seinen eigenen Schülern. Mittlerweile hat der Pädagoge mehrere Tausend Fans auf Youtube, prominente Unterstützer und sogar eine eigene Lern-App.

Herr Groß, wie kam Ihnen die Idee zum „Lehrer Loisl“?

Martin Groß: Ich brenne für meinen Beruf und unterrichte an der Sportmittelschule Wien 2, für mich die beste Schule Wiens, wo alles sehr familiär ist. Als wir von der Schulschließung erfahren haben, habe ich mir überlegt, wie ich den Unterricht künftig gestalten kann. Und zwar so, dass die Schüler bei der Sache bleiben. Arbeitsblätter kopieren reicht da vielleicht nicht aus. Deshalb haben wir in der Klasse gleich eine WhatsApp-Gruppe gegründet, um in Kontakt zu bleiben. Dann habe ich gemeinsam mit meiner Frau begonnen, praktische Mathe-Beispiele aus dem Alltag auf Video aufzunehmen. Zum Beispiel sollten die Schüler die Fläche meiner Tischplatte ausrechnen oder den Spritverbrauch bei einer Autofahrt. Das haben alle gut aufgenommen. Hundert Prozent Antworten habe ich nicht einmal im Klassenzimmer bekommen.

Das klingt, als wäre Ihr Fernunterricht effizienter als Frontalunterricht. Wie sinnvoll ist da die Rückkehr ins Klassenzimmer?

Martin Groß: Natürlich ist es sinnvoll, weil die Beziehungsarbeit mit den Schülern bei dieser Form des Unterrichts auf der Strecke bleibt. Und es geht im Leben ja nicht nur um Mathematik.

Viele Menschen verfolgen Sie im Internet und sind begeistert. Wann und wie wurden Sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt?

Martin Groß: In Wien wurde ein Radiosender schnell auf uns aufmerksam und dann weitere Medien. Schließlich wollte ich via Youtube Live-Unterricht abhalten, aber dafür braucht man 1000 Abonnenten. Also hat mir mein Bekannter Andi Herzog (ehemaliger Fußballer, Anm.) mit einer kleinen Videobotschaft geholfen, bekannter zu werden. Dann ging vieles von selbst. Immer mehr Leute wurden auf uns aufmerksam. Darunter auch der ehemalige ÖSV-Trainer Alexander Pointner, der uns geholfen hat, eine eigene „Lehrer Loisl“-App zu gestalten. Zunächst wollten wir mit einer bereits existierenden App arbeiten, aber die war violett, das geht für mich als Rapid-Fan gar nicht. Am Donnerstag hat übrigens auch mein neues Youtube-Video Premiere.

Der Umgang mit sozialen Medien, das technische Know-how fürs Filmen, das war für Sie kein Problem?

Martin Groß: Ich bin kein technikaffiner Mensch. Aber einfache Videos mit dem Smartphone kann ich mithilfe meiner Frau schon aufnehmen. Sie filmt und schneidet die Videos. Und auch von den Schülern hat ja schon jeder ein Smartphone. So funktioniert es relativ einfach und gut. Und mittlerweile erreichen wir so Tausende Schüler, Eltern und andere Lehrer.

Wie geht es nun weiter?

Martin Groß: Wir Pädagogen werden uns weiter mit der Digitalisierung beschäftigen müssen – ob wir wollen oder nicht. Deshalb möchte ich unser Angebot im Internet beständig weiterentwickeln und für möglichst viele zugänglich machen. Die App funktioniert sogar offline.

Gibt es Wünsche an die Politik?

Martin Groß: Wir benötigen dringend Hardware für die Schüler – und abgesehen von der Digitalisierung sehen wir gerade, wie gut der Unterricht in kleineren Gruppen funktioniert.