Weil er im Juni des Vorjahres einen Landsmann erstochen haben soll, hat sich ein Pole am Freitag wegen Mordes am Wiener Landesgericht verantworten müssen. Dies ist bereits der zweite Prozess gegen den 26-Jährigen: In einer ersten Verhandlung hatten die Laienrichter auf Notwehrüberschreitung entschieden, woraufhin das Urteil wegen Irrtums der Geschworenen aufgehoben wurde.

Der Angeklagte, das spätere Opfer (24) sowie dessen Cousin waren nach Wien gekommen, um hier am Bau zu arbeiten. Doch offenbar war der 24-Jährige wenig glücklich, dass der Ältere bei ihm in Favoritner Wohnung lebte. Als dieser statt wie angekündigt zurück nach Polen zu gehen, doch in der gemeinsamen Wohnung bleiben wollte, entzündete sich darüber sowie über die rätselhaft geschrumpften Biervorräte ein Streit, der schließlich im Freien ausgetragen werden sollte.

Zog Klappmesser

Als der körperlich Stärkere auf seinen Mitbewohner eintrat, zog dieser ein Klappmesser, mit dem er seinem Gegner bei einem Gerangel zunächst nur leichte Verletzungen zufügte. Der 24-Jährige zeigte sich davon unbeeindruckt und wollte seinerseits ein Küchenmesser holen, das er allerdings auf Anraten seines Cousins vor der Wohnung ablegte.

Der Angeklagte hatte sich in der Zwischenzeit nicht aus dem Staub gemacht, sondern vor dem Haus gewartet. Er versetzte dem Jüngeren mehrere Stiche in die Halsgegend, von denen einer laut Anklage neun Zentimeter tief eindrang, woraufhin dieser an Ort und Stelle an seinem eigenen Blut erstickte, während der 26-Jährige flüchtete.

Der Staatsanwalt wies die Notwehrversion des Angeklagten zurück, u.a. wäre die Gegenwehr mit dem Messer nicht angemessen gewesen und dieser hätte auch flüchten können. Die Verteidigung betonte hingegen die körperliche Unterlegenheit des nur 1,65 Meter großen Angeklagten. Dieser hätte sich gefürchtet und den Stärkeren mit dem Messer abwehren wollen. Zudem habe er nicht gewusst, dass das Opfer das Küchenmesser doch nicht aus der Wohnung geholt hatte.

Nach längerer Beratung entschieden die Geschworenen am späten Freitagnachmittag einstimmig auf Mord. Der 26-Jährige, der sich vergeblich mit Notwehr verantwortet hatte, war mit den 14 Jahren Haft nicht einverstanden und berief gegen das Urteil. Auch der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab, weshalb das Urteil nicht rechtskräftig ist.