Der Kreditschutzverband (KSV 1870) hat sich die Veränderungen im österreichischen Kreditmarkt in den vergangenen zehn Jahren genau angesehen. Besonders fällt in der Analyse auf, dass immer mehr Menschen in jene Warnliste geraten, auf die man kommt, wenn man Dinge nicht regelmäßig bezahlt. Vor fünf Jahren kamen jährlich 13.000 Menschen dazu, jetzt sind es jedes Jahr 20.000, vornehmlich Jüngere.

Den höchsten Zuwachs gibt es in der Personengruppe der 26 Jahre alten Menschen, den zweithöchsten bei den unter 35-jährigen Personen, erläuterten KSV-Geschäftsführer Ricardo-Jose Vybiral und KSV-Experte Gerhard Wagner am Donnerstag vor Journalisten in Wien. Der KSV fordert deswegen mehr Finanzbildung für Jugendliche an Schulen. "Der Wirtschaftskunde-Unterricht ist nicht zeitadäquat und es gibt hier Potenzial zur Verbesserung", sagte Vybiral. "Es geht um ein praxis- und projektorientiertes Näherbringen des Umgangs mit den eigenen Finanzen."

Der KSV geht bereits in Schulen, um den Jugendlichen den Umgang mit ihren Finanzen praxisnah näherzubringen. Er kooperiert mit verschiedenen anderen Einrichtungen wie Teach For Austria und der WU Wien. "Die Eltern können nicht alleine für die Finanzkompetenz ihrer Kinder verantwortlich sein", so Vybiral. In den Schulen würde das Thema derzeit aber oft mit oberflächlichen Lerninhalten und leider zu theoretisch angegangen, bedauert er.

Der Grund für die Überschuldung der Jungen liegt "vorrangig in nicht beglichenen Kontoüberziehungen oder nicht zurückzahlbaren Krediten". Es zeige sich, dass die Fähigkeit, die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit richtig einzuschätzen, oft wenig ausgeprägt sei, so Wagner, Geschäftsführer der KSV-Informationssparte.

Insgesamt gibt es 3,5 Millionen Kreditnehmer in Österreich. Jährlich kommen davon derzeit rund 20.000 auf die Warnliste, weil sie entweder ihr Konto über den eingeräumten Rahmen hinaus überziehen, den Kreditkartenrahmen sprengen oder Kreditraten nicht fristgerecht abbezahlen. Von diesen 20.000, stammen fast 39 Prozent aus Wien. "Das Stadt-Land-Gefälle ist sehr hoch", sagte Wagner. Insgesamt finden sich derzeit rund 300.000 Menschen auf der Warnliste.

Demnach ist der klassische Kreditnehmer in Wien zu Hause, agiert konsumgetrieben und kauft vor allem Unterhaltungselektronik. Kreditnehmer aus den Bundesländern hingegen nehmen eher "wirklich notwendige" Kredite, etwa für den Hausbau, auf.

Insgesamt registriert der KSV pro Jahr 1,1 Millionen Kreditbewegungen. Davon entfallen rund zehn Prozent auf Aufstockungen oder Laufzeitverlängerungen bestehender Verträge. Der Rest sind neue Kreditabschlüsse. Bei Abstattungskrediten haben die meisten eine 36-monatige Laufzeit. 35 Prozent aller Verträge werden auf drei Jahre finanziert. Am häufigsten nachgefragt wurden zuletzt Beträge zwischen 5.000 und 10.000 Euro - "als Vehikel für alles".

Bei Hypothekarfinanzierungen haben sich die Laufzeiten von 300 auf 360 Monate erhöht. Parallel zu den Immobilienpreisen haben sich die Kreditsummen erhöht. Die Liste dieser Kredite wird von Darlehen in der Höhe von 100.000 bis 150.000 Euro angeführt. Bei Leasingverträgen ist derzeit "10.000 Euro auf 60 Monate" die beliebteste Form.

Mit anderen "Mythen" räumt der KSV nach der eingehenden Analyse hingegen auf. So stimme es nicht, dass alte Menschen keinen Kredit bekämen. Ein 70-Jähriger erhalte anstatt eines Konsumkredits oft einen höheren Überziehungsrahmen. Auch würden oft Grundstücke belastet und so die nachfolgende Generation mit ins Boot geholt. So müsse eine Liegenschaft nicht verkauft werden.

Auch der Mythos, dass es Berührungsängste mit der Kreditaufnahme gebe, stimme nicht, so der Kreditschutzverband. Das ist dem Niedrigzinsumfeld und dem oft niederschwelligen Zugang zu Finanzierungen geschuldet, analysiert der KSV 1870.