Die für kommende Woche anberaumte mündliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zum umstrittenen geplanten Zusammenschluss der Pitztaler- und Ötztaler Gletscherskigebiete in Tirol wird vertagt. Dies geschehe auf Ersuchen der Pitztaler und Ötztaler Gletscherbahnen, teilte das Land am Donnerstag mit. Gegen das Projekt gibt es seit Monaten heftigen Widerstand, etwa von Umweltschutzorganisationen.

Gründe für die Vertagung seien "weitere notwendige Erhebungen vor Ort - auch im schneefreien Zustand - vonseiten des Betreibers, um Darstellungen in der notwendigen Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit zu erbringen", hieß es. Dies betreffe einige Bereiche wie beispielsweise das Landschaftsbild, die gemeinsam mit FachplanerInnen vertieft überarbeitet werden sollen. "Ergebnisse der Überarbeitungen samt zielführender Maßnahmen sollen in eine angemessene und ganzheitliche Projektbeurteilung miteinfließen können", erklärte das Land die Intention der Projektbetreiber. Nach dem Einreichen weiterer Unterlagen vonseiten des Betreibers an die zuständige Behörde könne über einen neuen Termin für eine mündliche UVP-Verhandlung befunden werden - unter Berücksichtigung einer "angemessenen Vorbereitungszeit sowohl für die Verfahrensparteien als auch für die Behörde".

Online Petition

Der Zusammenschluss der beiden Gletscherskigebiete hatte in den vergangenen Wochen für Aufregung gesorgt. Eine Online-Petition, die sich gegen das Projekt ausspricht, zählte rund 156.000 Unterschriften. Eine Allianz bestehend aus WWF, Alpenverein und Naturfreunde wehrte sich ebenfalls gegen die Fusion. In einer von der "Tiroler Tageszeitung" in Auftrag gegebenen Umfrage sprachen sich zudem 70 Prozent der befragten Tiroler gegen das Projekt aus.

Die Projektbewerber dagegen sahen eine gezielte Verbreitung von Falschinformationen über das Projekt seitens der Gegner. Eine Plattform, bestehend aus Pitztaler Jungunternehmern, sprach sich ebenso für die "Gletscherehe" aus.

Uni-Bericht zeigt laut WWF Kurzsichtigkeit

Erst heute wurde außerdem ein Uni-Bericht der Uni Innsbruck im Auftrag des WWF veröffentlicht, der den Projektbetreibern Kurzsichtigkeit vorwirft.  Selbst bei der optimistischsten Klima-Prognose sollen laut dem Bericht der Universität Innsbrucketwa zwei Drittel des Gletschereises im Projektgebiet der umstrittenen Gletscherverbauung Pitztal-Ötztal bis 2050 verschwinden. Im Extremfall könnten die Gletscher um den Linken Fernerkogel in den nächsten 30 Jahren sogar zur Gänze verschwinden.

Konkret geht die Auswertung der Uni Innsbruck davon aus, dass die betroffenen Gletscher „bis zum Jahr 2050 82 plus/minus 18 Prozent beziehungsweise bis zum Jahr 2100 95 plus/minus 5 Prozent ihres Volumens verlieren werden“, kritisiert der WWF Österreich die Kurzsichtigkeit des geplanten Skiprojekts. „Hier soll Großinfrastruktur mit einer Nutzungsdauer von 50 Jahren und mehr in eine Naturlandschaft gebaut werden, die sich schon in den nächsten 30 Jahren vollkommen verändern wird", warnt Josef Schrank, Landschaftsökologe beim WWF. Weil sich die Gletscher immer weiter zurückziehen, müsste das Gelände für einen Skibetrieb mit immer neuen baulichen Eingriffen und zusätzlicher Infrastruktur umgebaut werden. Mit der Genehmigung von Pitztal-Ötztal würde somit ein unberührter Naturraum zerstört und durch eine teure Dauerbaustelle ersetzt werden, heißt es weiter.

Stopp des Megaprojektes gefordert

Die Umweltschutzorganisation fordert den Stopp des Megaprojektes Pitztal-Ötztal und stattdessen die Eingliederung des Linken Fernerkogels in das bestehende Ruhegebiet Ötztaler Alpen. „Der Ausverkauf der letzten intakten Alpenlandschaften für den schnellen Profit muss ein Ende haben“, bekräftigt Schrank.

„So schmerzlich der Verlust dieser jahrtausendealten Gletscherlandschaften durch die Klimakrise ist, so wichtig ist der Schutz einer natürlichen Entwicklung dieser ursprünglichen Gebiete“, erklärt Josef Schrank. „Der Rückgang der Gletscher gibt Gelände frei, das seit der letzten Eiszeit vor rund 10.000 Jahren vollkommen unbeeinflusst geblieben ist. Das ist die letzte echte Wildnis, die wir in Zentraleuropa haben, ein elementarer Bestandteil unseres Naturerbes, den wir nicht wie Bauschutt behandeln dürfen. Denn die heutigen Gletschergebiete werden in Zukunft zu wichtigen Rückzugsräumen für kälteangepasste Tier- und Pflanzenarten, die aufgrund des Temperaturanstiegs in höhere Regionen ausweichen müssen.“

Seltener Schnee, häufigere Schmelzbedingungen

Auch im Hinblick auf Niederschlags- und Schneeentwicklung im Hochgebirge würde der Uni-Bericht ein deutliches Bild zeichnen. Demnach würden seltenere Schneefälle und häufigere Schmelzbedingungen künftig auch in Höhen über 2.500 Metern dazu führen, dass die mittlere saisonale Schneedecke im Herbst, Winter und Frühjahr abnimmt und im Sommer auch in diesen Höhen gänzlich verschwindet. Eine Skisaison wie in heutigen Gletscherskigebieten würde in Zukunft auch im Hochgebirge immer teurer erkauft werden müssen. Angesichts dieser alarmierenden Erkenntnisse fordert der WWF Österreich endlich mutige Klimaschutzmaßnahmen, ein Umdenken in der Tourismusbranche und einen effektiven rechtlichen Schutz für die letzten unerschlossenen Landschaftsräume.