Die Nachricht von einer Gipfelsprengung für die Zusammenlegung der Skigebiete am Pitztaler und Ötztaler Gletscher hat für Schlagzeilen gesorgt. Eine Falschmeldung, wie sich herausgestellt hat, die Ihrem Protest gegen das Projekt aber viel Aufmerksamkeit gebracht hat.

Gerd Estermann: Wie diese Meldung entstanden ist, weiß ich nicht. Unsere Seite hat nie so etwas behauptet. Was danach passiert ist, sehe ich zwiespältig. Einerseits bekamen wir viel ungerechte Kritik ab. Andererseits hat das große Wellen geschlagen. Selbst die Bild-Zeitung hat berichtet. Unsere Petition gegen das Projekt wird mittlerweile von mehr als 155.000 Menschen unterstützt.

Warum sind Sie gegen die Verbindung der Skigebiets?
Ich bin Naturliebhaber. Aber die Natur wird leider immer mehr verbaut. In diesem Fall geht es um einen Gletscher. Der verdient den höchsten Schutzstatus und eigentlich hat er den auch. Aber wir leben in Tirol; dem Land der Ausnahmeregelungen. Und das halten wir für falsch und scheinheilig: Gletscherschutz ist wichtig, da darf es keine Ausnahmen wegen wirtschaftlicher Interessen geben.

Die Projektbewerber werfen Ihnen vor, dass sie laufend Fehlinformationen verbreiten. Der Geschäftsführer der Bergbahnen Sölden hat in „Der Presse“ gemeint, dass es sich nur um einen „mikroskopischen Eingriff in die Gletscherregion“ handelt.
(lacht) Ja, da hat er von geologischen Prozessen gesprochen. Die dauern Millionen Jahre und dieses Projekt soll in sieben, acht Jahren fertig sein. Das kann man schlecht vergleichen. Ganz am Anfang hab ich diesen Zusammenschluss auch nicht so dramatisch gesehen. Aber als die offiziellen Einreichungen vorgelegen sind, ist klar geworden, was für ein Megaprojekt das ist.

Gerd Estermann
Gerd Estermann © Privat

Können Sie die Argumente der Gegenseite verstehen, die von Jobs für eine Abwanderung betroffene Region sprechen?
Die verstehe ich natürlich. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie stimmen. Da ist etwa die Rede davon, dass es 600 neue Betten geben wird. Dass werden dann nicht die Betten sein, die die Pitztaler jetzt füllen wollen, sondern das ist Konkurrenz. Es ist schwer, das zu vermitteln, weil viele Pitztaler dieses Projekt als Versprechen und einzig gangbaren Weg sehen.
Man verlässt sich leider darauf, dass dieser Skizirkus ewig weitergeht. Da wird sich aber in Zukunft wohl das Klima etwas einmischen.

Kann man in den Skigebieten so weiterwirtschaften wie bisher?
Man hat seit 30 Jahren immer dasselbe Konzept: Erweitern, vergrößern, mehr Pistenkilometer, mehr Fläche. Erstens stößt so ein Konzept physikalisch an Grenzen, man kann nicht für immer so weitermachen. Zweitens ist auch die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht mehr da. Immer wird behauptet, das Wichtigste seien die Pistenkilometer und die Größe des Skigebiets. Da widersprechen inzwischen auch schon Tourismusexperten.

Im Gebiet des Linken Fernerkogels soll die Zusammenlegung entstehen
Im Gebiet des Linken Fernerkogels soll die Zusammenlegung entstehen © APA

Die Bevölkerung im Pitztal scheint aber für das Projekt zu sein.
Bis jetzt ist das wohl so. Aber es ist immer eine Frage der Information und des Zeitgeistes. Ich denke, die Stimmung in der Bevölkerung wird sich auch noch ändern.

Im Jänner soll nun die Verhandlung zum UVP-Verfahren beginnen. Es wird entschieden, ob die Skigebiete zusammengelegt werden dürfen oder nicht. Was werden Sie tun?
Am 22. Jänner startet die Verhandlung. Wer Parteienstellung hat, kann dort Stellungnahmen abgeben. Von unserer Seite sind das der WWF, die Naturfreunde und der Alpenverein. Wir werden sehen, was da rauskommt. Irgendwann in der Zeit nach der Verhandlung und vor der Beschlussfassung in der Landesregierung werden wir dem Landeshauptmann unsere Petition überreichen.

Was glauben Sie, wie die Politik über das Projekt entscheiden wird?
Bis vor kurzem hätte ich noch gesagt, sie werden das Projekt in erster Instanz genehmigen. Dass dann Berufung eingelegt werden würde, ist natürlich klar. Mittlerweile bin ich mir gar nicht mehr so sicher: Das sind ja viele Wähler, die unsere Petition unterstützen. Viele sagen: So geht das nicht mehr. In diesem neu erwachenden Umwelt- und Klimabewusstsein wird sich der Tourismus ändern müssen. Das gibt der Politik schon zu denken.