Der Ex-Judoka Peter Seisenbacher hat vor seiner Überstellung nach Österreich mit einem verfälschten, auf den Namen eines österreichischen Judo-Funktionärs lautenden Reisepass versucht, illegal die Ukraine zu verlassen. Bei seinen Bemühungen, die ukrainisch-polnische Grenze zu überqueren, wurde er geschnappt und zu Verwaltungsarrest verurteilt.

Aus ukrainischen Gerichtsbeschlüssen, die in den vergangenen Tagen veröffentlicht wurden und die der APA vorliegen, geht hervor, dass der zweifache Judo-Olympiasieger am 7. und 10. September aus der Ukraine flüchten wollte, wohin er sich vor fast drei Jahren abgesetzt hatte, um einem für 19. Dezember 2016 angesetzten Prozess wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs in Wien zu entgehen. Seither hielt sich Seisenbacher in der Ukraine auf, lief jedoch Gefahr, dass einem Auslieferungsersuchen der Wiener Justiz stattgegeben wurde, nachdem die Ukraine im heurigen Frühjahr ein Zusatzprotokoll des europäischen Auslieferungsübereinkommens unterzeichnet hatte.

Pass möglicherweise gestohlen

Die geänderte Rechtslage dürfte Seisenbacher dazu bewogen haben, der Ukraine den Rücken zu kehren. Dabei gab es jedoch die Schwierigkeit, dass er keinen gültigen Pass mehr hatte. Er konnte daher die Ukraine nicht regulär verlassen.

Bei seinen gescheiterten illegalen Grenzübertritten hatte Seisenbacher einen im Mai 2015 ausgestellten und manipulierten Reisepass bei sich, der auf den Namen eines österreichischen Judo-Funktionärs lautete. Dessen Sohn ist aktiver Judo-Kämpfer, der in der Vergangenheit auch internationale Turniere bestritten hat. Wie Seisenbacher an das Dokument gelangt war, ist derzeit unklar.

"Ich wüsste nicht, dass mir mein Reisepass abhandengekommen wäre", sagte der Judo-Funktionär zunächst am Montagvormittag auf telefonische Anfrage der APA, ob er seinen Pass vermisse. An aktuelle Besuche in Polen oder der Ukraine könne er sich nicht erinnern. Seisenbacher habe man in der Vergangenheit freilich bei Veranstaltungen gesehen, sagte der Judo-Funktionär. Im Anschluss marschierte der Mann zur Polizei und erstattete Anzeige. Nach dem Telefonat mit der APA habe er nachgeschaut und festgestellt, dass sein Pass fehle und ihm möglicherweise gestohlen worden sei, teilte er später mit.

Laut einem ukrainischen Gerichtsbeschluss war Peter Seisenbacher in den Abendstunden des 7. September im westukrainischen Dorf Limna in 6.000 Meter Entfernung zur Grenze von ukrainischen Grenzsoldaten festgenommen worden. Die Behörden erkannten zunächst nicht, mit wem sie es zu tun hatten. Seisenbacher wies sich mit einem österreichischen Reisepass aus, der sich erst später als manipuliert herausstellen sollte.

Der festgenommene Österreicher habe geplant, abseits eines regulären Grenzübergangs die Ukraine zu verlassen, in die er zuvor auch illegal eingereist wäre, informierten die Grenzer anschließend das Bezirksgericht im westukrainischen Städtchen Turka. Ein Richter verurteilte den unter falscher Identität auftretenden Seisenbacher am 10. September zu drei Tagen Verwaltungsarrest. Wie in derartigen Fällen üblich, beschieden die Behörden gleichzeitig, dass der Österreicher das Land verlassen müsse.

Bereits wenige Stunden vor Ablauf dieser Haftzeit wurde Seisenbacher daher am 10. September aus Turka zum etwa 75 Kilometer entfernten Grenzübergang Smilnyzja-Kroscienko gebracht. Dies folgt aus einer Entscheidung des Bezirksgerichts von Staryj Sambir, das sich wenige Tage ebenso mit dem Österreicher beschäftigen sollte.

Seisenbacher sitzt in U-Haft

Am ukrainisch-polnischen Grenzübergang stellte sich bei einer genauen Kontrolle jedoch heraus, dass der von Seisenbacher vorgelegte österreichische Reisepass manipuliert war. Ukrainische Grenzer nahmen ihn erneut fest und fanden in seinem Gepäck zudem die Fotokopie seines echten österreichischen Reisepasses, der ihm 2017 von Vertretern der österreichischen Botschaft in Kiew entzogen worden war.

Bis kurz vor 15 Uhr Ortszeit am 12. September befand sich der Österreicher in Verwaltungshaft, anschließend kehrte er auf eigenes Verlangen in Begleitung von Beamten des Bundeskriminalamts mit einem Direktflug aus Lwiw (Lemberg) nach Österreich zurück. Das Landesgericht Wien verhängte am 14. September wegen Fluchtgefahr Untersuchungshaft.

Dem zweifachen Olympiasieger, der sich seit mehr als zwei Jahren in der Ukraine einer österreichischen Strafverfolgung entzogen hatte, wird vorgeworfen, in seinem Wiener Judo-Verein zwischen 1997 und 2004 zwei im Tatzeitraum jeweils unmündige Mädchen missbraucht zu haben. Eine weitere Jugendliche wehrte ihn laut Anklage ab, als er zudringlich wurde - die Staatsanwaltschaft hat dieses Faktum als versuchten Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses angeklagt. Seisenbacher hat sich zu den Anschuldigungen bisher nicht öffentlich geäußert. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.