Es ist ein wahres Popwunder, das da auf der Bühne steht. Dass Billie Eilish erst 17 Jahre jung ist, merkt man ihr nur in der ersten Sekunde an, als sie (viel zu früh am Abend, geschuldet einem Booking-Coup noch vor ihrem Durchbruch) die Hauptbühne betritt. Und feststellt, wie viele Leute da sind, um sie zu sehen. Ein breites Grinsen blitzt ganz kurz auf. Gemessen am Andrang ist sie klare Headlinerin – kein Musiker, keine Musikerin der letzten Jahre wurde so in den Pophimmel gehypt wie sie. Zu unwiderstehlich ist ihre Mischung aus strahlendem Popsound und düsterer Attitüde, ihr gelangweilter Blick zum hippen Trap-Beat. Und doch: ein Teenie-Popstar, auf den so wohl niemand gewettet hätte.

Backstage gab's für Eilish und ihren Bruder am Donnerstag Platin: Die Stars mit Bence Thoroczay und Julia Fischer von Universal Music
Backstage gab's für Eilish und ihren Bruder am Donnerstag Platin: Die Stars mit Bence Thoroczay und Julia Fischer von Universal Music © Universal/Patrick Münnich

Wie unaufgeregt die Show daherkommt, überrascht dann dennoch: kein Schnickschnack, kaum Make-up, keine Tänzer, nur ein paar Videos als Untermalung. Die Band (mit dabei: Bruder Finneas O’Connell) ist ganz in Weiß gekleidet, während Billie einen grünen Basketball-Dress trägt. Ihr Set startet sie mit „Bad Guy“ und Gekreische, das Songmaterial reicht gerade, um ein Konzert zu füllen. Zur Auflockerung werden ein paar Publikumsspielchen eingestreut, weil man das halt so macht am Festival. Wie gesagt, unaufgeregt, aber gerade darin zeigt sich die Qualität der Sängerin: Um damit 90 Minuten lang die unsteten Millennials bei der Stange zu halten, dafür muss man schon etwas können. Und etwas an sich haben, das einen echten Star ausmacht.

Offizieller Headliner waren natürlich immer noch Twenty One Pilots alias  Sänger Tyler Joseph und Schlagzeuger Josh Dun. Die beiden haben sich - nicht zuletzt bei ihrer ausverkauften Show heuer in der Stadthalle Wien - schon einen Namen als äußerst unterhaltsame Liveband gemacht: Etliche Spaß machende Hits, eine für die ganz große Bühne zugeschnittene Show mit vielerlei Effekten, dazu handgemachte auf nur je zwei Instrumenten gemachte Musik - und einen Haufen originelle Publikumseinlagen. So ließen sich beide einmal auf Händen von den Zuschauern tragen, Dun sogar mitsamt dem Schlagzeug.

Auch die britische Popsängerin Anne-Marie war erst kürzlich hierzulande zu Gast, direkt nach Billie Eilish und vor Sunrise Avenue (die ein betonsolides Hitfeuerwerk hinausschossen) hatte sie zwar keinen leichten Stand, ihre Mischung aus Ohrwurmtracks wie "Let Me Live" und nachdenklicherem Material funktionierte. In direkte Konkurrenz mit dem US-Popwunder musste auf der Green Stage das ehemalige Wunderkind des deutschen Hip Hop treten: Reibeisen-Rapper Dendemann (of "Neo Magazine Royal" und "Eins Zwo"-Fame), der im Vorjahr sein langerwartetes neues Album veröffentlicht hat, hätte sich viel mehr Publikum verdient. Das traf dann aber erst rechtzeitig zu Ufo361 ein.

Kontrastreiches Programm am Nachmittag

Gestartet ist Tag bei strahlendem Sonnenstein, vielen Badenixen (m/f) in der kühlen Traisen, viel Glitzer im Gesicht und vielen bunten Menschen. Den musikalischen Anfang machte Hugel – überraschenderweise, hatte der französische Produzent mit seinem Remix des alten Partisanenlieds „Bella Ciao“ doch einen der ganz großen Sommerhits des Vorjahres gelandet. Dann konnte das Vorprogramm kontrastreicher kaum sein: Die „Green Stage“, die gestern ganz im Zeichen des Hip-Hop stand, verwandelte Finch Asozial („Deutschrap als wandelndes Herrengedeck“, sagt die „Zeit“) in einer Dorfdisko, thematisch ging es um F... und W... und P... und – endlich unzensuriert wiedergebbar – Bratwurst und Bier

Auf der „Space Stage“, der Hauptbühne wärmten die Singer-Songwriter Jeremy Loops aus Kapstadt (nett-belanglos) und Dermot Kennedy aus Dublin (kraftvoll) das Publikum auf.

Daneben gibt es das ganze Festival zahlreiche unmusikalische Vergnügungen, von Sport bis Spaß und wieder retour: Am Gelände wurden Angebote wie eine anrainerfreundliche „Silent Disco“, die Westmeisterschaft im „Flunkyball“ (hat etwas mit Alkohol und einem Ball zu tun),„Techno Yoga“ und ein Workshop im Twerken (professionell mit dem Popo wackeln).

Was an der diesjährigen 19. Ausgabe des FM4 Frequency besonders auffällt, ist neben den lobenswerten Bemühungen um ein „grünes“ Festival die musikalische Breite: Wurden Mainstream-Künstler wie Macklemore beim ehemaligen Indie- und Alternativefest vor ein paar Jahren noch schamhaft auf einen eigenen vorgeschobenen Extratag bugsiert, sind sie heuer nicht nur Teil des – doch immer noch von FM4 und nicht Ö3 präsentierten – Festivals, sondern absolut tonangebend. Gestern waren das neben Sunrise Avenue vor allem Twenty One Pilots („Stressed Out“), die erst im Februar ein ausverkauftes Konzert in der Wiener Stadthalle spielten.

Auch die nach einer längeren Pause wieder zurückgekehrte Swedish House Mafia (heute, Space Stage), der schon erwähnte Rapper Macklemore und Dimitri Vegas & Like Mike (beide morgen auf der Space Stage) sind definitiv eher Ö3 als der kleinen ORF-Radioschwester FM4 zuzuordnen. Der Erfolg gibt den Veranstaltern des Frequency Festivals aber recht: Schon seit Monaten waren die Drei-Tages-Pässe für das Festival ausverkauft, für den gestrigen Donnerstag waren ebenfalls keine Tickets mehr zu bekommen.

Moop Mama machen den Abschluss auf der Red Bull-Stage

(Text: APA)

Ein Schlusspunkt ist das Frequency heuer für die deutsche Brassband Moop Mama, die in St. Pölten ihre Festivalsaison beschließen wird. "Ende Mai haben wir mit den Shows angefangen, danach gab es nur ganz wenige freie Wochenenden. So ging es eigentlich durch bis jetzt", erzählte Posaunist Peter Palmer der APA. Und die Gefühlslage nun? "Ein bisschen gemischt", lachte der Musiker. "Am Frequency fühlst du dich ja immer wie ein kleiner Schulbub. Die Mainstage war ja schon das letzte Mal, als wir hier waren, riesig. Andererseits ist man natürlich auch müde mittlerweile."

Dass der Abschluss einer Tour nicht ganz alltäglich ist, wissen Moop Mama auch. "Da kann es schon passieren, dass der Stagemanager mit Schnaps auf die Bühne rennt", grinste Trompeter Menzel Mutzke, schob aber gleich nach: "Ich glaube nicht, dass wir das heute machen. Wir wollen ja gut abliefern. Aber danach kann man sicher feiern." Was für das Publikum natürlich schon davor gilt, sind Moop Mama doch Garanten für energiegeladene Shows, bei denen das Tanzbein ordentlich bedient wird.

In Stimmung ist die zehnköpfige Gruppe ohnehin immer. "Festivals sind dennoch spannend, weil du meist drei Tage am Stück spielst, dann hast du wieder fünf Tage Pause", sinnierte Mutzke. "Da kommst du schon aus dem Modus, weshalb der erste Gig meist gar nicht so einfach ist." Aber egal ob Festival oder doch Headlinertour - sobald der erste Fuß auf die Bühne gesetzt wird, wisse man, was zählt, wie Palmer zu verstehen gab. "Sobald es los geht, ist für uns klar: Und jetzt Vollgas! Klappt auch immer."

Bleibt noch die Frage nach dem leiblichen Wohl, die bei Festivals ja keine unwichtige ist. "Hier bist du wie auf einer Insel, da bekommst du das Leben drum herum gar nicht wirklich mit", sagte Palmer. "Deshalb bist du dem auch irgendwie ausgeliefert. Beispielsweise, was das Catering betrifft. Das heißt jetzt nicht, dass wir Kaviar oder so was brauchen. Aber wenn dann nur ein paar Wiener warm gemacht werden... Warte mal, sagt ihr auch Wiener?" Woraufhin sein Kollege lachend einwarf: "Nein, das sind hier ja Frankfurter." Man merkte schnell: Für den Gig auf der Weekender Stage zu späterer Stunde sollte im Hause Moop Mama zumindest der Schmäh wie am Schnürchen laufen.