Wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt hat sich am Montag ein junger Klimaaktivist am Wiener Landesgericht verantworten müssen. Der 22-Jährige soll sich am 31. Mai 2019 am Rande einer Demonstration in der Wiener Innenstadt mit Schlägen und Tritten gegen die polizeiliche Durchsuchung seines Rucksacks gewehrt haben. Er stellte das in Abrede. Die Verhandlung wurde auf 7. Oktober vertagt.

Die Demonstration hatte für mediale Schlagzeilen gesorgt, weil es dabei zu mehreren Fällen von Polizeigewalt gekommen sein soll. Im Zusammenhang mit zwei Vorkommnissen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen zumindest fünf Polizeibeamte. Zur Anklage gebracht wurde vorerst aber nur der junge Deutsche, der in Wien Politikwissenschaften studiert. Zu seinen Beweggründen, an der Demo teilzunehmen, gab der 22-Jährige vor Richter Christian Noe zu Protokoll: "In Österreich ist der Verkehr das größte Problem. Weil die Politik zu langsam ist, ist eine Straßenblockade ein notwendiges und legitimes Mittel." Er habe sich an einer Sitzblockade vor der Urania beteiligt, "wobei mir bewusst war, dass ich mich in einer verwaltungsrechtlichen Grauzone befinde". Ein "strafrechtliches Fehlverhalten" habe er damit aber nicht verwirklicht, betonte der 22-Jährige.

Aktiver Widerstand?

Als die Blockade von der Polizei aufgelöst wurde, ließen sich einige Aktivisten wegtragen, darunter auch der Angeklagte. Weil sich der 22-Jährige nach dem Absetzen und bei der Identitätsfeststellung partout nicht von seinem umgehängten Rucksack trennen wollte, befürchtete die Polizei, er könnte gefährliche Gegenstände dabei haben, wie ein junger Beamter als Zeuge erklärte. "Der Herr wollte nicht, dass der Rucksack durchsucht wird", berichtete der 23 Jahre alte Polizist. Von dem Zeitpunkt an sei dessen zunächst passiver "in aktiven Widerstand übergegangen. Er war sehr wild, sag ich einmal. Es ist mit Armen und Beinen ausgeschlagen worden. Er war sehr unberechenbar".

Um den schlaksigen, nicht unbedingt kräftig wirkenden Studenten zu bändigen, waren laut Polizei mehrere Beamte notwendig. "Er hat um sich gehaut, um sich getreten. Er hat sich total gewehrt", erinnerte sich eine junge Polizistin. "Unsere Amtshandlung ist korrekt abgelaufen", betonte sie. Sie sei "mit den Füßen (des Angeklagten, Anm.) beschäftigt gewesen" und habe diese fixiert.

Der Angeklagte betonte dagegen, er habe sich nur passiv verhalten. Dass in seiner Nähe ein in Bauchlage am Boden fixierter Demonstrant beinahe von einem Polizeiauto überfahren worden wäre - diese Amtshandlung wird von der Staatsanwaltschaft untersucht -, "hat meine Kooperationsbereitschaft beeinflusst", räumte der Student ein. "Ich war nicht willig, meinen Rucksack sofort herzugeben, wie es die Polizei wollte", stellte er fest. Da habe ihn die Polizei "ohne Vorwarnung auf die Seite gehaut, dass ich mit dem Kopf auf den Asphalt geschlagen bin", behauptete der 22-Jährige. Er sei verletzt worden, habe eine Rissquetschwunde an der Stirn erlitten und geblutet. Am Boden liegend, hätten Beamte weiter auf ihn "eingewirkt", mit Schlägen, Tritten, möglicherweise auch Kniestößen.

"Grob umgedreht"

Der Wiener Anwalt Clemens Lahner, der den 22-Jährigen vertritt, hat beim Landesverwaltungsgericht eine Maßnahmenbeschwerde eingebracht, weil die Amtshandlung seiner Ansicht nach rechtswidrig war. Der 22-Jährige sei von den Beamten "grob umgedreht" worden, obwohl er sich "nur passiv verhalten und nicht bewegt hat", stellte Lahner am Landesgericht klar.

Das Strafverfahren gegen den 22-Jährigen ist insofern pikant, als an der prozessgegenständlichen Amtshandlung auch ein Polizist beteiligt war, gegen den die Anklagebehörde wegen einer Körperverletzung ermittelt, die sich kurz zuvor nur wenige Meter entfernt ereignet haben dürfte. Der betreffende Beamte - er fehlte bei der heutigen Verhandlung urlaubsbedingt - soll am 31. Mai gemeinsam mit mehreren Kollegen gegen einen Demonstranten vorgegangen sein, der in Bauchlage am Boden lag und dem dann mehrfach mit Fäusten heftig in die Nierengegend geschlagen wurde. Diese Szene wurde mitgefilmt, das Video verbreitete sich über Twitter und löste bei Aktivisten Empörung aus.

Vor Verhandlungsbeginn hielten Klimaaktivisten eine Mahnwache vor dem Haupteingang des Wiener Landesgerichts für Strafsachen ab, um sich mit dem Angeklagten solidarisch zu zeigen. An der Fassade wurde ein Transparent mit der Aufschrift "Gerichte nur zum Essen - Freiheit für alle" befestigt.