Der Rechnungshof (RH) hat das Verkehrsstrafen-System geprüft und zahlreiche Kritikpunkte gefunden. So gibt es in Österreich kein bundesweit abrufbares Verwaltungsstrafen-Register. Außerdem gibt es je nach Bundesland unterschiedliche Strafen und Toleranzgrenzen. Der Datenaustausch mit vielen EU-Staaten ist schwierig. Kritisiert wird auch, dass bei Organmandaten manuelle Schritte erforderlich sind.

Geprüft wurden von November 2017 bis April 2018 die Länder Niederösterreich und Oberösterreich sowie die Strafabwicklung der Asfinag im Zeitraum 2013 bis 2017. In Österreich sind neben dem Bund auch die jeweiligen Bundesländer, Gemeinden sowie die Asfinag für Verkehrsstrafen zuständig. Weil es kein zentrales Verwaltungsstrafen-Register gibt, war es den Strafbehörden kaum möglich, eventuell offene Geldforderungen oder Freiheitsstrafen außerhalb der eigenen Zuständigkeitsbereiche zu erkennen. Diese sind in der Regel die Grenzen der jeweiligen Bezirkshauptmannschaften. Wiederholungstäter zu identifizieren, um dies beim Strafausmaß zu berücksichtigen, war daher nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich, kritisierte der Rechnungshof.

Unterschiedliche Tatbestands- und Strafkataloge listen auf, welcher Strafbetrag bzw. welcher Strafrahmen für bestimmte Delikte im Straßenverkehr zur Anwendung kommen. Das Innenministerium erstellte zwar einen Bundes-Tatbestandskatalog, der für die Länder aber nicht verbindlich war. Das hatte zur Folge, dass bei identischen Delikten je nach Bundesland unterschiedliche Strafgelder verhängt wurden. So waren im Bundes-Tatbestandskatalog bei "unterlassener Hilfeleistung" 365 Euro vorgesehen, in Niederösterreich mit 70 Euro weniger als ein Fünftel. Eine Organstrafe wegen "vorschriftswidrigem Vorbeifahren an einem Kindertransport" kostete in Niederösterreich 50 Euro, in Oberösterreich mit 20 Euro weniger als die Hälfte. "Vorschriftswidriges Hintereinanderfahren" kostete in Niederösterreich 360 Euro, der Bundes-Tatbestandskatalog sah dafür 100 Euro vor.

Bürger kennen sich nicht aus

Organmandate können maximal 90 Euro betragen. Bei Anonymverfügungen reicht der Rahmen bis zu 365 Euro. Die Höhe der Geldstrafen bei Anonymverfügungen ist in Verordnungen festgelegt. Diese waren laut Rechnungshof vorübergehend an den Amtstafeln der jeweiligen Bezirkshauptmannschaften und in Amtsblättern kundgemacht, aber den Bürgern nur beschränkt und nicht dauerhaft zugänglich. "Sie konnten so auch die Angemessenheit einer Strafe nur schwer überprüfen", kritisierte der RH.

Unterschiede gab es auch bei der Übertretung von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die Eich- und Messtoleranzen lagen je nach Technologie der Geräte zwischen drei und fünf Prozent. Die "Straftoleranzen" konnten die Behörden selbst festlegen. In Oberösterreich kamen erlassmäßig festgelegte Straftoleranzen zur Anwendung, Niederösterreich gab diese nicht bekannt.

Die unterschiedlichen Beträge waren eine Folge der Ermessensspielräume, die der Gesetzgeber den Behörden eingeräumt hatte. Die relevanten Gesetze sahen Strafrahmen und keine bestimmten Strafbeträge vor. Darüber hinaus interpretierten die Landesverwaltungsgerichte die Bestimmungen und die Strafrahmen unterschiedlich. Der Rechnungshof empfahl daher, bundesweit einheitliche Strafgeldhöhen und Strafrahmen bei abgekürzten Verfahren, also bei Organmandat, Anonymverfügung und Strafverfügung festzulegen. Außerdem soll österreichweit geregelt werden, welche Delikte anonymverfügungsfähig sind. Im Interesse der Bürger und zur besseren Nachvollziehbarkeit sollten auch die "Straftoleranzen" bundesweit vereinheitlicht werden.

Ablauf zu kompliziert

Bei der Ausstellung von Organmandaten und bei der Einnahme von Sicherheitsleistungen gelangten entsprechende Vordrucke - das sind streng verrechenbare Drucksorten - zur Anwendung. Die Blöcke und deren Einzelblätter waren durchnummeriert. Die Verteilung der Drucksorten erfolgte direkt durch die Bezirkshauptmannschaften oder durch die Landespolizeidirektionen und wurde teils handschriftlich dokumentiert. Der Originalbeleg blieb bei den Lenkern, der Durchschlag wurde weitergeleitet. Der Rechnungshof wies kritisch auf die zahlreichen manuellen Prozessschritte und die nicht mehr dem Stand der Technik entsprechenden Verwaltungsprogramme hin. Sie standen einer "zeitgemäßen Aufgabenerledigung" entgegen. Der Rechnungshof empfahl dem Innenministerium, die bereits ins Auge gefasste Arbeitsgruppe zu Organmandaten und Sicherheitsleistungen ehestmöglich zu etablieren und - nach dem Vorbild der bewährten Zusammenarbeit im Kooperationsprojekt zum Verwaltungsstrafverfahren - aufzuwerten.

Eine besondere Herausforderung für die Behörden stellte laut Rechnungshof die grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrsstrafen dar. Die EU erließ dazu im Jahr 2015 eine Verkehrsdelikterrichtlinie, die sich auf acht - die Verkehrssicherheit besonders gefährdende Delikte - konzentrierte. 2017 betrafen rund 99 Prozent dieser Verkehrsdelikte in Österreich Geschwindigkeitsübertretungen. Von den rund 1,5 Millionen Delikten, die in Österreich im Jahr 2017 unter die Anwendung der Richtlinie fielen, betrafen 523.010 oder rund 35 Prozent Fahrzeuge mit deutscher Zulassung. Hier gab es nach wie vor Probleme bei der Vollstreckung der Strafen, weil nach deutschem Recht die Lenkerauskunft nicht vorgesehen ist - vielmehr würden Frontbilder der lenkenden Person die Verkehrsstrafen-Verfolgung unterstützen. Frankreich, Lettland und Rumänien verweigerten jedes Rechtshilfeersuchen bei Verkehrsdelikten. Bei Fahrzeugen aus Drittstaaten erschwerten fehlende oder unzureichende rechtliche Grundlagen eine wirksame Verfolgung von Verkehrsdelikten oder ließen diese nicht zu. Ausnahmen bildeten die Schweiz und Liechtenstein.

Millionen Delikte

In den überprüften Jahren wurden österreichweit jedes Jahr mehr als 8,3 Millionen Organmandate und Anzeigen wegen Verkehrsübertretungen ausgestellt. Der Bund nahm jedes Jahr mehr als 110 Millionen Euro aus Verkehrsstrafen und Mautdelikten ein, im Jahr 2017 waren es beispielsweise 125,24 Millionen. Auch die Asfinag profitierte von den Strafen, hier waren es in den Jahren 2013 bis 2015 jeweils über 90 Millionen Euro. 2016 waren es bereits 111,73 Millionen, im Jahr 2017 115,11 Millionen Euro.