"Ich stehe gerade vor dem Hôtel de Ville, dem Pariser Rathaus, und blicke mit Tausenden anderen über die Seine auf die brennende Notre-Dame", beschreibt der Wiener Julian Vierlinger diese "völlig surreale Situation", die sich gestern Abend in der Metropole abspielte. Der 23-Jährige studiert derzeit in der französischen Hauptstadt. "Ich bin U-Bahn gefahren und habe erfahren, dass eine Station gesperrt wird. Deshalb bin ich früher ausgestiegen und zu Fuß weiter."

Es hat nicht lange gedauert, bis er die dichten Rauchschwaden über der Innenstadt gesehen hat. "Alle haben das mitbekommen und sind dem Rauch gefolgt. Viele weinen. Sie begreifen, dass es ihr Wahrzeichen ist, das da in Flammen steht. Es ist ein Wahnsinn, da herrscht Ausnahmezustand. Das Dach ist komplett zusammengestürzt, als Nächstes trifft es wahrscheinlich die Türme und das Baugerüst." Die Straßen sind teilweise verstopft, weil die Fahrer auf den Straßen aussteigen und ungläubig in den Himmel blicken.

Als Vierlinger den Rathausplatz erreicht, ist die Île de la Cité, die Insel in der Seine, bereits abgesperrt. Unzählige Einsatzkräfte kämpfen gegen die Flammen, scheinen aber kaum etwas ausrichten zu können. "Wir wissen noch nicht, was da genau passiert ist. Offenbar war es ein Unfall, aber viele Passanten sprechen von einem Terroranschlag", erzählt Vierlinger. Frankreich, und vor allem Paris, war in der Vergangenheit wiederholt Ziel von Anschlägen geworden.

Hochzeitsjubiläum in Paris

Auch Sandra und Gernot Lichtenegger aus Riegersburg sind in Paris. "Wir wollten zu unserem 25-jährigen Hochzeitsjubiläum Urlaub machen. Wir sind erst heute angekommen und sehen von unserem Hotel direkt hinüber zur Notre-Dame", berichtet Sandra Lichtenegger. Das Ehepaar war gerade unter dem Eiffelturm, als es und die umstehenden Menschen auf die Rauchwolken aufmerksam wurden. "Davor waren wir noch bei der Notre-Dame und haben Bilder von der unversehrten Kirche gemacht. Jetzt fahren wir wieder dorthin."

Auch ihnen fallen die vielen entsetzten Gesichter auf, die weinenden Menschen. "Das ist eine ganz seltsame Stimmung im Moment", beschreibt Sandra Lichtenegger. "Überall hört man Sirenen." Jene, die nicht zur brennenden Kathedrale hinüberblicken, schauen auf ihre Mobiltelefone und suchen nach Informationen zur Katastrophe – vorerst vergebens.