Der Psychiater und Suchtforscher Reinhard Haller sieht in Kokain die kommende Volksdroge, und an einer Cannabis-Legalisierung werde in der Zukunft wohl kein Weg vorbeiführen. Das erklärte Haller am Dienstag bei der Präsentation des Vorarlberger Suchtberichts 2018. Für den Bericht wurde erstmals das Abwasser einer Vorarlberger Region untersucht, um den Drogenmissbrauch konkret zu quantifizieren.

Cannabis-Mystifizierung 

Haller, der den Suchtbericht als Drogenbeauftragter des Landes gemeinsam mit einem Forscherteam verfasst hat, stellte eine starke Zunahme beim Kokain-Konsum fest. Beim Thema Cannabis stelle sich angesichts der weltweiten Akzeptanz die Frage, wie man in Zukunft damit umgehen wolle. Derzeit werde beim Cannabis ja geradezu eine Mystifizierung betrieben, so Haller. "Es hat eine gewisse Heilwirkung, sie wird aber maßlos überschätzt", befand der Experte. Im Rückgang begriffen sei der Heroin-Missbrauch, Heroin werde inzwischen als "Loser-Droge" gesehen.

Als "großes Problem" titulierte Haller die Nikotin-Sucht. Laut Haller sterben in Vorarlberg jährlich 600 Personen an den Folgen des Rauchens, während es bei den illegalen Drogen zehn bis 20 Menschen sind. Für die Zukunft gab sich Haller aber optimistisch. Aufklärungsmaßnahmen und die Vernunft der Bürger würden sich gegen die "Unvernunft der Bundesregierung" durchsetzen, zeigte sich Haller überzeugt. Der Nikotin-Konsum werde ebenso zurückgehen wie jener von Alkohol, der sich aber auf hohem Niveau einpendeln werde. Auch die Verhaltenssüchte werden laut Haller in Zukunft eine große Rolle spielen, "No-na", so Haller. Eine besondere Herausforderung stelle dabei die Therapie dar, weil man - Stichwort: Handy, Internet, soziale Medien - nicht schlicht auf Abstinenz setzen könne.

Abwasserproben

Um aussagekräftige wie faktenbasierte Daten über den Drogenkonsum in Vorarlberg zu erhalten, wurden in der Region Hofsteig (knapp 70.000 Einwohner) im vergangenen April an 22 aufeinanderfolgenden Tagen Abwasserproben genommen und auf Spuren von Drogen analysiert. Die Hochrechnung ergab, dass in der Region pro Jahr 436 Kilogramm Cannabis, mehr als 26 Kilogramm Kokain und 1,8 Kilogramm Amphetamin konsumiert werden. Haller wies darauf hin, dass das in der Region pro Jahr Ausgaben zwischen zehn und 30 Mio. Euro für illegales Suchtgift bedeute. Im Vergleich mit den Regionen in der benachbarten Schweiz seien die Konsummengen aber deutlich niedriger und etwa vergleichbar mit jenen in Innsbruck und München, so der zuständige Landesrat Christian Bernhard (ÖVP).

Dem Bericht zufolge sind in Vorarlberg - ohne das Rauchen - etwa fünf Prozent der Bevölkerung von einer substanzgebundenen Sucht abhängig, davon entfallen drei Prozent auf den Alkohol, 1,2 Prozent auf Medikamente und etwa ein Prozent auf die illegalen Drogen. Der Anteil der Raucher liegt unter den Erwachsenen bei 35 Prozent. 2017 wurden in Vorarlberg sechs drogenbezogene Todesfälle registriert, weniger als 2016 (11) und 2015 (15). Laut Haller handelte es sich dabei hauptsächlich um "alt gewordene Drogensüchtige" über 50 Jahre, die schon jahrelang abhängig waren.