Für psychisch Kranke und Menschen in psychischen Krisen geschieht in Österreich weiterhin viel zu wenig. Für Erste Hilfe sollte jeder Mensch genug Basiswissen haben. Für Krisenfälle gehört laut dem Dachverband "pro mente Austria" eine österreichweite Notfall-Telefonnummer her. Betroffene benötigen eine Kombi-Reha (medizinisch und beruflich), hieß es am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien.

24 Hilfsorganisationen österreichweit

"Erste Hilfe für die Seele ist uns ein ganz besonderes Anliegen. Im Bereich der körperlichen Erkrankungen ist Erste Hilfe eine Selbstverständlichkeit. Es ist sehr wichtig, dass jeder das auch für die psychischen Erkrankungen erlernt oder wenigstens davon gehört hat", sagte Psychiater Werner Schöny, Ehrenpräsident des Verbandes mit 24 Hilfsorganisationen österreichweit.

Dass es kaum Initiativen für Erste Hilfe im psychischen Krankheitsfall gibt, ist angesichts des Problems weltweit sehr erstaunlich. Eine im April 2018 publizierte Studie zeigte folgende Fakten: 1,1 Milliarden Menschen oder 15,5 Prozent der Weltbevölkerung litten im Jahr 2016 an psychischen Leiden. Der Anteil der betroffenen Männer betrug 16 Prozent, jener unter den Frauen 15 Prozent. Vier Prozent der Menschen (drei Prozent der Männer bzw. 4,5 Prozent der Frauen) und somit weltweit rund 268 Millionen Personen litten an Depressionen. Der Anteil der von Angststörungen Betroffenen an der Weltbevölkerung betrug vier Prozent (drei Prozent der Männer, 4,7 Prozent der Frauen - 275 Millionen Menschen).

Für Schöny ist ein Gutteil des oft praktizierten Wegschauens von Angehörigen, Freunden, Arbeitskollegen etc. in solchen Fällen auf Unwissen und somit Hilflosigkeit zurückzuführen. Der "pro mente Austria"-Dachverband hat dazu eine neue Broschüre "Erste Hilfe für die Seele" (www.promenteaustria.at) aufgelegt.

Im Endeffekt ebenso eine wichtige Funktion haben in diesem Zusammenhang Notfall-Telefonnummern, die rund um die Uhr mit dafür ausgebildetem Personal besetzt sind. "Es wäre ganz, ganz wesentlich, dass es in Österreich eine dreistellige Telefonnummer gibt, die von Professionisten besetzt ist und als Erstkontakt bei psychischen Krisen fungiert. Dann muss es die Möglichkeit zu einer Weiterbetreuung geben", sagte Monika Czamler, Geschäftsführerin der Krisenhilfe Österreich.

Das dritte Problem ist der Umgang mit von psychischen Erkrankungen Betroffenen in der Arbeitswelt in Österreich. "Psychisch Kranke haben regelmäßig eine doppelt so hohe Arbeitslosenrate als andere Menschen. Das sind dann derzeit wohl 14 und mehr Prozent, vor kurzer Zeit waren es noch 17 oder 18 Prozent. Gleichzeitig haben etwa 20 Prozent der Menschen im arbeitsfähigen Alter relevante psychische Störungen. In Österreich haben 25 Prozent der Männer und 50 Prozent der Frauen in Invaliditätspension eine psychische Erkrankung", schilderte der Präsident des Dachverbandes, Günter Klug.

Die Daten weisen auf zwei negative Faktoren in Österreich hin: Einerseits wird zu wenig getan, um psychisch Kranke wieder in das Berufsleben zu bekommen, andererseits erfolgt ein oft viel zu schnelles "Verschieben" in die Invaliditätspension. "Wir haben zum momentanen Zeitpunkt eine ganz geringe Arbeitslosigkeit. Das ist eine legendäre Chance für Menschen mit psychischen Erkrankungen, wieder ins Arbeitsleben zu kommen. Man müsste jetzt die Unterstützung hochfahren, doch es bestehen Ideen, in die Gegenrichtung zu gehen", sagte Klug.

Zweierlei Rehabilitation

Besonders wichtig wäre eine Kombination bzw. ein Überlappen von medizinischer Rehabilitation (medizinische Betreuung, von Krankenkassen über Reha-Geld bezahlt) mit der beruflichen Rehabilitation (AMS). Ohne berufliche Rehabilitation wirkt nämlich die Therapie schlecht, ohne wirksame Therapie verschlechtern sich die Berufs-Wiedereinstiegschancen.

Österreich schneidet hier in einem OECD-Vergleich (zehn Länder) mit der vorletzten Stelle ausgesprochen schlecht ab. Mit einer schweren psychischen Erkrankung arbeiten nur noch etwas mehr als 40 Prozent der Betroffenen, mit einer mittelschweren Erkrankung knapp 60 Prozent und mit einer leichten etwas unter 70 Prozent. Nimmt man den Durchschnitt, so sind in Österreich nur 55 Prozent der psychisch Kranken erwerbstätig, in den Niederlanden - als weiteres Beispiel - um die 70 Prozent, in der Schweiz als Spitzenreiter gar 80 Prozent.