Das Video, das die Wiener Wochenzeitschrift "Falter" diese Woche von einem unbekannten Informanten zugeschickt bekam, ist von enormer Brisanz. Es wurde im September 2012 im Bereich des Mount Hermon in Syrien aufgenommen, wo das österreichische Bundesheer damals noch an der UNDOF-Mission beteiligt war. In dem Clip ist zu sehen, wie neun syrische Polizisten des Geheimdienstes Mukhabarat auf ihrem weißen Pickup in einen Hinterhalt geraten und von Rebellen erschossen werden.

Das Video wurde offenbar von den Blauhelmen selbst angefertigt. Die Kommentare der österreichischen Soldaten aus dem Off lassen darauf schließen, dass den Blauhelmen bewusst gewesen sein dürfte, in welche tödliche Falle die syrischen Polizisten tappen. "Des is a Himmelfahrtskommando", sagt einer der Augenzeugen.

Zunächst ist auf dem Video zu sehen, wie Schmuggler im felsigen Gebiet einen Hinterhalt aufbauen. Laut "Falter" taucht etwa eine Stunde später ein weißer Toyota mit syrischen Geheimpolizisten auf der Ladefläche auf, der den österreichischen Wachposten passieren muss. Die Syrer seien ausgestiegen und hätten mit den Österreichern gesprochen, doch hätten diese sie vorbeigewunken. "Normal musst das de Hund sagen", ist einer der Blauhelme zu hören. Begründung: "Wenn da aner überbleibt, kummt er umma und schießt uns ab."

Lückenlose Aufklärung

Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) setzte kurz nach der Veröffentlichung des Videos eine Untersuchungskommission ein. "Ich möchte so schnell wie möglich wissen, was im September 2012 tatsächlich passiert ist. Die Vorfälle werden lückenlos und minutiös aufgeklärt werden", teilte er in einer Aussendung mit. Die Untersuchung "muss bis Ende Mai abgeschlossen sein".

Der Vorfall sei "in dieser Dimension" erst durch die der Wochenzeitung zugespielten Fotos und Videos bekannt geworden, heißt es. Die Kommission werde prüfen, ob gegen die Einsatzregeln verstoßen worden sei und Straftatbestände verwirklicht worden seien. Bei Bedarf werde den betroffenen Soldaten Rechtshilfe angeboten.

Die Fragen, die nun zu klären sind: Haben die Soldaten die syrischen Polizisten auf ihre Beobachtung hingewiesen? Und hätten sie das Verbrechen verhindern können - oder war es ihnen aufgrund ihres Mandats gar nicht erlaubt, einzugreifen?

Beihilfe zum Mord

Schlimmstenfalls könnten die Blauhelme wegen Beihilfe zum Mord belangt werden, sagte der Völkerrechtler Manfred Nowak am Freitag zur APA. "Sie hätten die Pflicht gehabt, die Syrer zu warnen." Stattdessen hätten die Blauhelme den syrischen Polizisten, die von sich aus stehen geblieben seien und nachgefragt hätten, "wider besseres Wissen eine falsche Auskunft gegeben". Dies habe dazu geführt, dass sie in den Hinterhalt gefahren seien. Nowak verwies zudem auf Berichte, dass die UNO-Soldaten vorher Kontakt mit den Kriminellen gehabt und ihnen auch Wasser gegeben hätten. "Sie waren nicht neutral. Sie haben der einen Seite Rückendeckung gegeben", folgerte der Wiener Universitätsprofessor.

Dass die Blauhelme nach syrischem Recht belangt werden können, glaube er nicht, sagte Nowak auf eine entsprechende Frage. Der Vorfall habe sich nämlich in der entmilitarisierten Zone zugetragen. Allerdings komme das österreichische Strafrecht zum Tragen.

Darabos: "Nichts gewusst"

Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) hatte keine Kenntnis von dem Vorfall mit neun toten Syrern auf dem Golan, der sich während seiner Amtszeit im Jahr 2012 zugetragen hat. "Ich bin in Kenntnis gesetzt worden vom ORF-Teletext", sagte Darabos am Freitagnachmittag der APA mit Blick auf die aktuellen Medienberichte. "An mich als Minister ist so ein Vorfall nie herangetragen worden."

Darabos wies darauf hin, dass er damals selbstverständlich eingeschritten wäre. "Es sind in mehreren Fällen, wo es um kleinere Geschichten gegangen ist, die Leute sofort repatriiert worden", sagte der langjährige Verteidigungsminister (2006-13). Sollten sich die Vorwürfe erhärten, sei er dafür, die Betroffenen aus dem Bundesheer zu werfen. Verwundert zeigte sich der burgenländische Soziallandesrat, dass das Video mehrere Jahre nach dem Vorfall bekannt geworden sei. Er hatte jüngst scharfe Kritik an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen des "Drüberfahrens" beim Thema Mindestsicherung geübt.

Auf die Frage nach dem im Juni 2013 verkündeten Abzug der österreichischen Blauhelme vom Golan sagte Darabos, er schließe "für mich" einen Zusammenhang mit dem Vorfall aus. "Ich hätte es nicht gemacht", distanzierte er sich von der unter seinem Nachfolger Gerald Klug (SPÖ) verkündeten Entscheidung.

Nicht ausschließen wollte Darabos, dass die österreichischen Blauhelme besondere Kontakte mit den Schmugglern gehabt haben könnten, in deren Hinterhalt die syrischen Polizisten gefahren seien. "Das könnte so sein", sagte der SPÖ-Politiker. Bei seinen Besuchen auf dem Golan habe er nichts davon gemerkt, aber solche Dinge werde man dem Minister kaum erzählen.

Die Mission am Golan sei "einer der renommiertesten Einsatze des Bundesheeres gewesen", sagte Darabos. Der nun bekannt gewordene Vorfall "ist nicht ein Ruhmesblatt". Man dürfe sich aber die jahrzehntelange gute Arbeit nicht durch "Einzelpersonen" zerstören lassen. "Ich hoffe, dass die Reputation nicht unter diesem Einzelfall leidet", sagte der frühere SPÖ-Minister.