Jetzt befinden wir uns also in Phase 3 der Stabilisierung. Zumindest hat der Gesundheitsminister diese Phase ausgerufen. Stabilisierung? Wer sehnt sich nicht nach völliger Normalisierung, wer freut sich nicht über Mund-Nasen-Schutz-freien Einkauf, der seit Wochen wieder möglich ist. Und dennoch werden nicht nur Risikogruppen den Vorstoß der Ärztin und SPÖ-Parteiobfrau Pamela Rendi-Wagner begrüßen, in Supermärkten wieder Maskenpflicht einzuführen. Eine Forderung, die vor allem eines ist: sozial. Daran ändert auch der Einwand von Experten nichts, die auf die Gefahr falsch getragener Masken verweisen.
Stabilisierung? Normalisierung? Wer wünscht sich nicht wieder, Freunde umarmen zu können, ohne dass im Hinterkopf eine Warnblinkanlage aufleuchtet mit der Frage, ob er/sie „toxisch“ ist. Der Mitmensch als Umkehrbild eines Vampirs, der nicht saugt, sondern etwas überträgt, wie der Philosoph Peter Sloterdijk sagt. Klingt gespenstisch und nicht nach Stabilität. Man soll weiter nicht umarmen, das Elefantenbaby im Schlepptau haben und auf diese Weise das Virus als Team bekämpfen. Letzteres propagiert ja nun der deutsche Gesundheitsminister. Die meisten Bürger, lobt er, würden den Kampf gegen Covid-19 als Teammatch begreifen. Dazu zählt er vor allem jene 15,5 Millionen Deutsche, die bereits eine Corona-Warn-App haben. Also eine Teamleistung, die auf Vernunft und nicht auf Verbote setzt.
Ob Vernunft sinnvoller und erfolgreicher ist? Das hängt wohl davon ab, wie sozial ausgeprägt die jeweilige Vernunft ist. Fans von Massenpartys in Mallorca oder hustenden Menschen ohne Maske in Supermärkten sollte ja nicht unbedingt Vernunft abgesprochen  werden. Sie könnten einfach nur positiv denkende Egoisten sein. Und die denken nicht an Großeltern und sehen sich selbst in einer Gruppe: in jener, die eine Infektion problemlos übersteht.