Wer die Bilder der qualvoll erstickten Opfer von Ost-Ghuta noch vor Augen hat, auf den müssen die Raketenangriffe auf Syrien wirken wie ein zynisches Gemogel. Trotz einer Woche martialischer Trump-Tweets beließen es die Alliierten wieder nur bei symbolischen Luftschlägen, wenn auch ein paar Marschflugkörper mehr als vor einem Jahr nach dem Giftgasangriff auf Chan Schaichun. Trotzdem, so hart es klingt, war das Bombardement unter dem Strich ein Sieg der Vernunft. Der befürchtete Schlagabtausch mit Russland fand nicht statt, aus dem sich leicht ein Weltbrand hätte entwickeln können.

Damit einher geht die Einsicht, dass für den Westen in Syrien nicht mehr viel zu machen ist. Das Regime in Damaskus hat gesiegt und wird weitgehend die Bedingungen für die Nachkriegszeit diktieren. Für Amerika und Europa dagegen ist der Zeitpunkt längst verstrichen, wenn es ihn je gab, Syriens Tragödie abzukürzen oder in andere Bahnen zu lenken. So zeigen sich Baschar al-Assad und seine Machtclique auch diesmal von den alliierten Geschossen unbeeindruckt. Keine besonderen Vorkommnisse, signalisierte demonstrativ ein kurzes Video des Präsidentenamtes, auf dem der Diktator lässig durch seinen opulenten Palast spazierte. Umgekehrt klingen die vollmundigen Behauptungen aus Washington, Paris und London, diesmal seien große Teile des Giftgasarsenals zerstört worden, eher realitätsfremd als überzeugend. Das Regime hatte tagelang Zeit, seine dubiosen Anlagen zu evakuieren und die verbliebenen Bestände zu verstecken.

Für Assad war das Ganze erneut ein machtpolitischer Punktsieg. Denn der bewusst schmal kalibrierte Raketenbeschuss zeigt, der Westen hat sich längst mit dem Diktator abgefunden und lässt ihm im Prinzip freie Hand. US-Präsident Donald Trump will vor allem raus aus dem nahöstlichen Schlamassel und hat kein Interesse, das Regime aus den Angeln zu heben. Insofern beschränkt sich das westliche Augenmerk einzig und allein auf das Thema Chemiewaffen. Lediglich diese schrecklichen Untaten werden aus dem übrigen Kriegsgeschehen herausgelöst und mit Militäraktionen bestraft, alle übrigen Grausamkeiten dagegen wie bisher mit empörten Fensterreden und ratlosem Achselzucken quittiert.

Assad aber kann den Feldzug gegen seine aufständischen Landsleute ungehindert fortsetzen – wie gewohnt mit aller Gewalt und ohne jede Skrupel. Nach Ost-Ghuta wird sich das Regime die Provinz Idlib vorknöpfen, die letzte Hochburg seiner schwächer werdenden Gegner. Iranische Militärs kündigten bereits an, dieses Gebiet an der Grenze zur Türkei müsse als Nächstes „befreit“ werden. Frankreichs Außenminister ließ keinen Zweifel daran, was in seinen Augen diesen Menschen blüht. So wird die Weltöffentlichkeit bald wieder das Gleiche miterleben müssen wie in Ost-Ghuta – eine apokalyptische Bombenhölle und die nächsten Massaker durch Nervengift.