Auch bei größter Gelassenheit kann man das Wetter sehr persönlich nehmen, sich gegen besseres Wissen einbilden, es wäre nur für einen selbst gemacht, ein maßangefertigtes Unglück des Universums, jemand trüge einem die Wolken und die Regentropfen nachgerade eigenhändig hinterher. Man ist ein Gekränkter unter vielen. Das Wetter geizt mit seiner Schönheit, hält einen hungrig, obwohl man selten so bereit war für eine meteorologische Pracht, eine kleine Alltagsherrlichkeit wie in diesem merkwürdigen Jahr.

Mir fehlt das Gefühl. Ich leide ganzjährig an einer immerwährenden, rabiaten Sommersehnsucht, die selbst, wenn sie sich erfüllt, nicht kleiner wird. Ich werde unbescheiden: Ich habe nie genug von ihm. Den ganzen Winter warte ich auf den Sommer, seine langen, hellen Tage, die altmodische Hitze, in der sich die Stunden dehnen und man leichter an die Unendlichkeit denkt. Auf staubige Landstraßen und den Schatten großer Bäume. Auf seinen Kitsch und seine Klischees, den Geruch von Sonnencreme und Salz und überreifen Erdbeeren. Auf Asphalt, der noch abends warm ist vom Tag, Luft, die auch in der Dunkelheit nicht kalt wird, auf hohes Gras, weiß geworden von der Sonne, auf Erde, Insekten, Aromen, all seine kleinen Zeugnisse. Die Welt wächst zu, überwuchert sich selbst. Alles duftet.

Ab April werden Spaziergänge mit mir zu langwierigen Angelegenheiten, denn ich gehe verloren an jede Blume, rieche an jeder Blüte, stecke meinen Kopf in jede Dolde, bis meine Begleitung mit einem Blick auf die Uhr fürchtet, dass es nicht nur Bestäubung durch Wind und Tier gibt, aber auch durch Frauennasenspitzen. Ich versommere. Es ist das einfache Glück der Fülle und Überfülle. Nichts daran ist kompliziert, das Schöne macht es einem so leicht, es schön zu finden. Der Sonnenschein harnischt einen für alle dunklen Tage, die den hellen folgen.