Autos sind für Ihre Morgenpostlerin reine Nutzfahrzeuge – mein diesbezügliches Interesse ist ungefähr so ausgeprägt wie für die Lebensbedingungen des südamerikanischen Gürteltiers. Um dessen Zukunft aber nicht mutwillig zu gefährden und Mutter Erde mit nur minimalem Öko-Abdruck zu belasten, sprang mir als mobile Neuanschaffung ein Elektrovehikel ins Auge.

Erstes Problem: Wo laden? Die Tiefgarage der Wohnanlage steht im 60igstel-Besitz und einer der Miteigentümer sucht gerade Erfüllung in gerichtlichen Eingaben und Rückbauandrohungen, neue Steckdosenanschlüsse werden also erfolgreich sabotiert. Das Auto stattdessen bei der öffentlichen Ladestation, 500 Meter weiter Richtung Innenstadt, andocken? Ziemlich sehr unbequem. Aber vielleicht der Mühe wert, wenn es seinen Zweck - ab und an übers Land zu fahren - erfüllt.   

Diesbezüglich hat mich nun eine liebe Freundin desillusioniert. Als Einfamilienhaus-Eignerin im Speckgürtel von Graz ist sie schon vor vier Jahren auf einen strombetriebenen Renault gekommen. Ideal, um ihn zuhause aufzutanken und täglich ein paar Kilometer ins Stadtzentrum zu düsen.

Ihr Ausflug nach Schönbrunn endete dafür weniger komfortabel: Zwar hatte sie im Vorfeld die Ladestationen in der Nähe des Tierparks gespeichert, beim Praxistest waren diese aber wahlweise blockiert oder „out of order“. Der Abend brach an. Um ihrem Dreijährigen weiteres Quengeln und eine Irrfahrt zu ersparen, entschied die entnervte Mutter, die Nacht in einem Hotel mit E-Anschlüssen zu verbringen. Der Concierge versprach geflissentlich, die Karre aufzutanken, man solle getrost entspannen. Am nächsten Morgen, die Gäste abfahrbereit, das böse Erwachen: Der Renault hing zwar an einem Kabel - Strom war jedoch keiner geflossen…

Meine Begeisterung für E-Autos bleibt also überschaubar, die der Österreicher offenbar auch: Nicht einmal ein Fünftel aller im ersten Halbjahr 2021 neu zugelassen E-Autos wurden von Privatpersonen angemeldet. Die noch eingeschränkte Reichweite, eine erst im Aufbau befindliche Infrastruktur und überproportionale Vergünstigungen für Firmen dürften die Zurückhaltung erklären. Im betrieblichen Bereich ist für Elektroautos neben den allgemeinen Förderungen und der Möglichkeit zum Vorsteuerabzug nämlich kein Sachbezug zu zahlen, wovon Arbeitgeber und -nehmer gleichermaßen profitieren. Dass 84% der Neuanmeldungen auf juristische Personen laufen, wurde zudem mit einer 14-prozentigen Investitionsprämie befeuert, die die Regierung von August 2020 bis Mai 2021 ausschüttete.

Selbige hat übrigens auch elektrischen Nachholbedarf, zuletzt zu beobachten bei der Regierungsklausur in Reichenau an der Rax. Während Sigrid Maurer und Leonore Gewessler kamerawirksam der Bahn entstiegen, parkten die Boliden der restlichen Kabinettsmitglieder verschämt hinterm Schloss. Wie eine parlamentarische Anfragenserie der NEOS ergab, sind von den fast 14.000 Fahrzeugen der Ministerien und nachgeordneten Dienststellen lediglich 42 reine Elektroautos. Eines davon, einen Audi e-tron 55, fährt der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, vielleicht auch nur zu Demonstrationszwecken. Mit Ausnahme der vorrangig Öffis nutzenden Umweltministerin sind die restlichen Regierungsmitglieder bestenfalls in Hybrid-Fahrzeugen unterwegs.

Ein kleines Beispiel, das wieder einmal zeigt, wie sehr hehrer Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Auf dem Papier festzuschreiben, dass man die Klimaziele bis 2030 erfüllen wird, ist schnell geschehen. Die Stromwende tatsächlich auf die Straße zu bringen, erfordert einen viel längeren Weg.    

Einen schönen Sonntag wünscht