Eine kluge Kollegin aus Kärnten hatte gestern in der Vormittagssitzung Blattkritik. Als Kachel auf dem Bildschirm beklagte sie, dass wir in der Berichterstattung über das Seilbahnunglück das Schicksal des fünfjährigen Buben, des einzigen Überlebenden, zu wenig herausgearbeitet hätten. Sie als Leserin und Mutter interessiere es, was aus dem Kind, dessen ganze Familie ums Leben kam, jetzt wird. Das sei kein boulevardeskes oder voyeuristisches Interesse, sondern ein zutiefst menschliches. Zu kühl und kopfig seien wir mitunter.

Aus diesem energisch vorgetragenen Feedback heraus entstand das heutige Porträt des Tages. Es war im Nu gesetzt. Es ist ein Stück über Eitan, den Fünfjährigen aus der Turiner Kinderklinik. Man erfährt, dass das Kind israelischer Eltern schrittweise zu sich komme und nicht mehr intubiert sei. Dass Eitan der „Starke“ bedeute und die Tante, eine Ärztin aus Israel, an seinem Bette wache. Dass die jüdische Gemeinde in Mailand, in der die verunglückten Eltern sehr aktiv gewesen seien, eine Spendenaktion für Eitan angestoßen habe, während der Bub noch gar nicht wisse, warum und auch nicht, warum so viele bunte Blumen vor den Toren des Krankenhauses liegen.

Maria Schaunitzer, Online-Chefin der Außenpolitik und des International-Ressorts, hat all das mit äußerster Nüchternheit geschrieben, im Wissen, dass es der einzig zulässige Tonfall ist. Die Wirkung beim Lesen kommt aus der Kargheit der Sätze. Sie brauchen kein Beiwerk und keinen Zierrat. Der kargste Satz steht gleich zu Beginn: dass das Waisenkind sein Leben der schützenden Umarmung des Vaters zu verdanken habe. Ein Feuerwehrmann, der als einer der Ersten am Unglücksort eingetroffen war, fand so die Beiden vor. Ein verkehrtes Pietá-Motiv als kleines, großes Wunder.

Wir haben in den vergangenen Wochennach den vielen Bluttaten viel darüber geschrieben und gerätselt, was mit den  Männern, den Vätern los sei. Hier haben wir eine Gegengeschichte, die einem nahegeht und nicht mehr aus dem Kopf.

Heute ist überhaupt ein Tag der guten Nachrichten, ablesbar an der Zeitung. Sie kommt wieder ins Lot. Die Seiten mit den Parten sind nicht mehr das umfangreichste Ressort. Die Kinoseite wächst von Tag zu Tag, zaghaft wie die Außentemperatur und empfiehlt „Nomadland“, großes  „Überwältigungskino“. Die europäische Prüfbehörde wird die Biontech-Impfung für die Zwölf- bis Fünfzehnjährigen freigeben und sie als „sicher und effektiv“ einstufen. Österreich wird sich der Empfehlung anschließen. Das hat uns Katharina Reich, die Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit, im Interview verraten. Und die Regierung wird, ohne Dissonanz und männliche Kindereien, mit den Landeshauptleuten die nächsten Lockerungsschritte verkünden. Wir werden die Nachtspiele der EURO im Gastgarten zu Ende schauen und ordentlich nachbesprechen können, wie es sich gehört. Die Tische werden dann nur noch einen Meter voneinander entfernt sein müssen.

Die Gattung Mensch kommt sich also behutsam näher und versucht es wieder miteinand´.

Einen schönen Freitag wünscht