Meine Begeisterung, unsere muntere Tiergemeinde (drei Katzen, eine Hündin) um drei Hühner zu erweitern, hielt sich anfangs in engen Grenzen. Gemeinhin werden dem bunten Federvieh kaum ansprechende Charaktereigenschaften zugebilligt – Hennen gelten als dumm, ihr Mut ist überschaubar, und von ihrer Treue singt kein Lied. Meine Frau liebt alle Tiere, auch die dummen. Also reaktivierte sie mithilfe unseres Freundes Karl den uralten Hühnerstall.

Die Henderln kamen aus Gleinstätten: ein braunes, ein schwarzes und ein geschecktes. Sie schienen sich in ihrem kleinen Reich sofort wohlzufühlen, vielleicht auch, weil Astrid von Anfang an eine persönliche Beziehung zu ihnen aufbaute, indem sie sie mit ihrem Namen ansprach: Hildegard, Huberta und Henriette. (Ich war in die Namensgebung nicht eingebunden.) Bald stellte sich heraus, dass der Zaun für Hildegard, die Aufgeweckteste, zu nieder war. Mit wenigen Flügelschlägen setzte sie sozusagen versehentlich darüber hinweg. Sie genoss die neue Freiheit nicht, sondern wollte flugs zurück in ihre WG.

Heli, ein routinierter Besitzer von einem Dutzend Hühnern, wusste Rat. Um sie fluguntauglich zu machen, stutzte er den drei Damen behutsam die Flügelfedern. Astrid klebte je eine auf ein Passepartout, das sie rahmte und an die Stalltüre nagelte. Kinder und Enkel zeigen großen Gefallen an den neuen Mitbewohnerinnen, vor allem Daniel, der nicht nur ihr gewöhnliches Gackern, sondern auch ihre halb raunzenden, gurrenden Selbstgesprächslaute täuschend echt nachzuahmen vermag. Da das Zusammenleben mit ihnen als sehr harmonisch zu bezeichnen ist, wird der Verzehr der hauseigenen Eier von der veganen Fraktion unserer Familie neuerdings ernsthaft erwogen.

Unlängst aß die zweijährige Enkelin eines der ersten eigenen Eier (noch in Anfängerinnengröße) mit großem Genuss. Erwartungsvoll fragte ich sie: „Und, wie schmeckt’s?“ Worauf sie antwortete: „Es schmeckt …“, sie machte eine Pause, als wollte sie ihren Worten noch mehr Gewicht verleihen, „es schmeckt … wie ein Ei.“