Mein Schwiegervater, Jahrgang 1929, besuchte die 6. Klasse der 2. Oberschule für Jungen (das heutige Pestalozzi-Gymnasium), als er ohne Vorankündigung Ende Dezember 1944 erfuhr, dass sein Schulbesuch zu Ende und er mit seinen Jahrgangskollegen zum Bau eines Panzergrabens in Radkersburg und von Stellungen für den Südost-Wall bei Rogaška Slatina abkommandiert sei. Die Nächte verbrachten sie auf Stroh. Nach dem Einmarsch der Roten Armee in Graz im Mai 1945 wurde er von den Sowjets zum Arbeitseinsatz zur Entfernung der Panzersperren sowie der Errichtung von Splitterschutz für Flugzeuge am Thalerhof verpflichtet. Im Sommer besuchte er einen Nachschulungslehrgang, der ihn zum Aufstieg in die 7. Klasse berechtigte. Zwei Jahre später legte er die Matura ab. Es war für alle eine Zeit der großen Entbehrungen.

Unvergesslich sind meinem Schwiegervater die „Hamsterfahrten“ mit seiner Mutter zu Bauern in die Oststeiermark und das ungeheure Glücksgefühl, wenn sie einen Laib Brot und ein Paar Eier am Kontrollposten auf dem Ostbahnhof vorbeischmuggeln und ein Mal richtig satt werden konnten. Wer wie mein Schwiegervater lange nicht genug zu essen hatte, weiß – trotz der Einschränkungen in diesen Tagen –, wie gut es ihm heute geht. Er hat die Schrecken des Krieges bewältigt, ein Jus-Studium absolviert, eine Familie gegründet und viele Jahre mit großem Engagement seinen Beruf ausgeübt. Die Biographien vieler seiner Schulkameraden lesen sich ähnlich.

Ich weiß schon, dass man mit historischen Vergleichen sehr vorsichtig sein muss. Aber die Erinnerung an dunkelste Zeiten relativiert vielleicht ein wenig die zahlreichen Wortmeldungen, in denen eine ganze Generation zu Opfern gestempelt wird. Kinder und Jugendliche tragen zu einem ganz großen Teil die Verordnungen vorbildlich mit. Ja, sie erleben die Krise als Belastung, die einen mehr, die anderen weniger, doch sie wachsen auch an den Herausforderungen und werden in der Lage sein, Versäumtes nachzuholen. Ihnen Zuversicht zu geben, statt sie zu entmutigen, heißt das Gebot der Stunde.