Nicht geklärt ist, ob sie es selbst tatsächlich erst bei den Abendnachrichten erfahren hat – zeitnah aus den Wolken dürfte Queen Elizabeth II. jedenfalls gefallen sein: Prinz Harry und Herzogin Meghan, seit ihrer prunkvollen Hochzeit in Windsor im Mai 2018 junges Aushängeschild der britischen Monarchie, sind nicht mehr willens, an der vordersten Front der Institution zu stehen: "Wir wollen als 'ranghohe' Mitglieder der Königsfamilie zurücktreten und arbeiten, um finanziell unabhängig zu werden", erklärte die Nummer sechs in der britischen Thronfolge.

Unverzüglich ging ein mächtiges Raunen durch das Vereinigte Königreich, der Boulevard-Blätterwald biegt sich seitdem heftig durch. Ein zumindest relativer Rückzug der zwei Jungen also, der – selbstverständlich – auf absolutes Unverständnis im renovierungsbedürftigen Buckingham Palace stößt. Der Brexit naht, dreieinhalb Jahre nach dem entsprechenden Votum vollzogen, da steht schon der "Megxit" ins Haus. Und all das im 94. Lebensjahr und im 68. Jahr der Regentschaft der Monarchin.

Was das Königshaus als zurückhaltendes Bulletin veröffentlichte, ist dechiffriert pure Empörung: "Die Diskussion mit dem Herzog und der Herzogin von Sussex befindet sich in einem frühen Stadium. Wir können ihren Wunsch nach einem neuen Ansatz nachvollziehen, aber dieses komplizierte Thema braucht Zeit für die Aufarbeitung." In der öffentlichen Wahrnehmung scheint das Verständnis für die Palastrevolution ebenso enden wollend: "Sie haben es nicht einmal der Queen gesagt", mahnte der "Daily Mirror" und nannte die überraschende Ankündigung unverblümt "egoistisch". Auch Harrys Vater, Kronprinz Charles (71), sei nicht informiert gewesen. Bei der BBC hieß es, die Entscheidung habe im Königshaus "Enttäuschung und Schmerz" angerichtet.

Sehr bemerkenswert ist Harrys (35) und Meghans (38) Ansinnen, künftig selbst Geld nach Hause bringen zu wollen. Die Herzogin von Sussex verdiente in ihrem früheren Leben als Schauspielerin ihren Unterhalt sehr wohl selbst – für den Prinzen wäre es indes eine Premiere. Dass die Royals, nicht nur jene in der ersten Reihe, auf Basis einer dekadenten Mindestsicherung ein güldenes Dasein führen, ist der britischen Öffentlichkeit seit jeher ein Dorn im Auge. In Zeiten des Brexits dürfte das Verständnis, für die Abkömmlinge der Monarchie in die Tasche greifen zu müssen, nicht größer werden.

Und: Sonderlich gefordert, erfolgreich oder engagiert, was eigenes Salär anbelangt, waren Mitglieder des Königshauses noch nie. BBC-Royals-Korrespondent Peter Hunt dazu lapidar: "Versuche der Royals, mit einer Karriere abseits der Verpflichtungen im Königshaus ihr eigenes Geld zu verdienen, haben immer mit Tränen geendet." Harry ließ bislang offen, welchen Beruf er sich vorstellt.

Auch die Pressearbeit will das abtrünnige Ehepaar für sich auf neue Beine stellen. Bestimmend für den königlichen Alltag ist bislang das "Royal-Rota-System": Bei dem Arrangement, wonach Medien abwechselnd Veranstaltungen mit den Royals abdecken und Texte, Fotos und Videos mit den anderen an dem Pool beteiligten Medien teilen, wollen sie nicht mehr mitspielen. Künftig sollen nur noch handverlesene "Spezialisten" von "glaubwürdigen, jungen und aufstrebenden Medien" zu ihren Veranstaltungen eingeladen werden. Auch dieses Thema dürfte die Queen bei ihrer zu erwartenden Rundum-Kopfwäsche zur Sprache bringen.

Ein direkter Verstoß gegen die royale Devise

Harry und Meghan hielten sich bereits in den letzten Monaten nicht mit offenherzigen Einblicken in ihre Sicht der Dinge zurück. Die Zeit nach der Hochzeit, die Schwangerschaft und die ersten Monate als junge Eltern seien sehr hart gewesen, was sich durch die traditionell übergriffige Boulevardpresse auf die junge Mutter zusätzlich verschärft habe: menschlich nachvollziehbar und starker Beleg dafür, dass eine freiheitsliebende und idealistische Mutter Harry das Leben schenkte. Am Ende aber auch ein direkter Verstoß gegen die royale Devise "Beklage dich nie, erkläre nie" ("Never complain, never explain").

Man habe den beiden ja schon Zugeständnisse gemacht, wie etwa jenes, nicht im Buckingham Palace wohnen zu müssen, tönt es mancherorts. Dazu ein adäquates Büro, Geld, Mitarbeiter und jene Reisen, die sie wollten. Nicht zuletzt will das britische Volk seine Royals gar nicht zu nahbar wissen: Der goldene Käfig, in dem diese sitzen, lässt sich am besten von außen beobachten – nur so bleibt die alltagsferne Aura intakt. Viele fühlen sich gar an Edward VIII. erinnert: Dieser dankte 1936 ab, um seine Geliebte, die US-Amerikanerin Wallis Simpson, heiraten zu können. Ein zünftiger Prä-Social-Media-Skandal - und Beweis für bisweilen aufflackernden Freiheitsdrang.

Fluchttendenzen kommen dem Königshaus natürlich nie gelegen, nagen an seiner ohnehin schon arg patinierten Substanz. Gerade jetzt sind sie aber besonders ungünstig: Noch längst nicht ausgestanden ist der ungustiöse Skandal rund um Andrew, Sohn der Königin und Langzeit-Playboy, und dessen mutmaßliche Verwicklungen in den Sexskandal rund um Jeffrey Epstein. Die Schotten pochen "nebenbei" mehr denn je auf Unabhängigkeit, was zusätzlicher Sprengstoff für das Vereinigte Königreich werden dürfte. Fliehkräfte allerorts also. "Annus horribilis" (Jahr des Schreckens) nannte Elizabeth II. einst 1992, als Teile von Windsor Castle abbrannten.

2020 läuft bereits Gefahr, nicht viel erfreulicher zu werden.