"Nein", sagt Hermann Maier und setzt sein schelmisches Lächeln auf, "die zehn Jahre meines Rücktritts, die waren an sich nicht der Grund für diesen Termin. Mir ging es darum: Ich habe so viele Anfragen für Einzelinterviews, da hab' ich mir gedacht, ich lege das alles einmal zusammen. Also bitte: Fragen!" Sagte es und wartete auf die Fragen der Journalisten. Der nunmehr zweiterfolgreichste Skifahrer der Nation aller Zeiten mag sich seit dem Rücktritt der Öffentlichkeit entziehen, geändert hat er sich aber kaum.

Wien, Brunnenmarkt. Beim "Hippen In-Lokal" Wirr wird fleißig für den neuen Werbespot von Raiffeisen gedreht. Hauptdarsteller: Hermann Maier, wie seit 20 Jahren. Es ist, betont Marketingeiter Leodegar Pruschak, "die längste Partnerschaft im Sportsponsoring, die es in diesem Land je gegeben hat." Und die kurzen Werbefilme, die in diesem Zeitraum entstanden sind und in flottem Schnitt angerissen werden, wecken viele Erinnerungen. Ja, Hermann Maier ist das Gesicht all dieser Filme, die Situationen bleiben aus dem Leben gegriffen. Und die Spots sind mit Maier, heute 46 Jahre alt, mitgewachsen. Es braucht viele Takes, bis alles im Kasten ist, Maier erträgt die Wartezeiten und Vorbereitungen dazwischen routiniert, liefert dann wie ein Oscar-prämierter Schauspieler. "Es sind ja Situationen aus dem Leben, da brauche ich mich nicht zu verstellen", sagt er.

Verstellen ist nicht seins, auch nicht bei den Fragen und Antworten danach. "Nein", sagt er, "mir ist der Skisport nicht abgegangen. Alle haben gesagt, es wird ein schwarzes Loch kommen, in das ich falle. Aber es war jetzt zehn Jahre nicht da. Ich hoffe, es kommt im elften Jahr auch nicht." Ob er nicht doch im Skisport hätte arbeiten wollen? "Am Anfang, wenn ein Angebot da gewesen wäre, dann vielleicht. Aber mich hat keiner gefragt. Und bei den ersten US-Rennen, als ich auf der Couch saß und alles bekritteln konnte, weil das ist leicht, habe ich daran gedacht. Danach nicht mehr."

Er habe, sagt Maier, mit dem Abschied aus dem Spitzensport "nur dazu gewonnen". Er habe gesund abtreten dürfen, sei in der Lage, alles zu tun, was er möchte. "Aber ich habe kein Kribbeln, wenn ich an Sölden und den Auftakt denke. Maximal, wenn ich den Schnee sehe und mir denke: Es wird bald Zeit für Skitouren und Langlaufski." Keine Wehmut? "Jedes Jahr wird der Abstand größer und der Hügel steiler, kommt mir vor. Und dann merkt man, was dazu gehört, das rennmäßig runterzufahren."

Seine Erinnerungen, die verschwimmen langsam, beklagt er. Und wenn, dann denke er nicht an die Siege, sondern "an die Vorbereitung darauf. An die vielen kleinen Abenteuer, die ich erleben durfte, rundherum, auch auf Reisen." Zu seiner Zeit, betont er und wird fast romantisch, sei eben alles noch anders gewesen. Beim Material etwa. "Wir sind ja praktisch alle mit denselben Ski gefahren. Heute hast du keine Chance, wenn das Material nicht perfekt auf dich abgestimmt ist. Das ist ja fast eine Zwei-Klassen-Gesellschaft geworden. Es ist so individuell, wenn da was nicht passt, hast du keine Chance."

Der Rücktritt von Marcel Hirscher habe ihn überrascht - oder auch nicht. "Es hat mich verwundert, dass Marcel sich für die Arbeit entschieden hat und gegen das Vergnügen." Wie bitte? "Na ja, sein Skileben, das war ja wirklich ein Vergnügen! Rundherum ist alles für ihn gemacht worden, er musste ja nur Skifahren. Das hat toll ausgesehen, das stimmt schon... Aber jetzt ändert sich etwas." Und dann fügt Maier an. "Wir haben uns oft über Skifahren ausgetauscht, waren heuer Segeln. Eines stimmt. Da wirkte er schon beim Segeln müde. Es war für ihn die richtige Entscheidung, er hat Großartiges geleistet. Es war schwierig, da was draufzusetzen. Was soll kommen? Aber er ist so jung, ich würde nicht einmal ein Comeback ausschließen. Vielleicht juckt ihn der Rekord an Tagessiegen doch noch einmal."

Eine Rückkehr in den Weltcup, das war bei ihm nie Thema. "Bei mir hat sich ja nichts geändert. Ich habe auch vor der aktiven Zeit als Maurer gearbeitet, ich war das gewöhnt." Wie er sich jetzt auf Formularen bezeichnet, die nach dem Beruf fragen? "Selbständig - und ich überlege immer, ob ich selbständig oder selbstständig schreiben soll. Auch wenn ich weiß, wie es heißt, weil ich Zeit meiner Karriere selbständig war. . ."

Und dann teilt Maier noch einmal aus. "Nach wie vor gibt es zu viele Rennen, das ist ja inflationär", sagt er und fügt an. "Ich denke, der Gesamtweltcup verliert an Wertigkeit. Weil die Speedfahrer keine Chance mehr haben. Das ist wie Dressurreiter gegen Springreiter. Wenn die einen 25 Dressurbewerbe haben, die Springreiter aber nur 15, da haben sie keine Chance. Und dazu kommt: Die einen sitzen eine Woche in Wengen, können nicht trainieren, weil es entweder Tiefschnee oder Steine gibt. Die anderen bereiten sich daheim penibel vor, fliegen am Tag vor dem Rennen hin und fahren nur ihren Riesentorlauf. Das ist ja nicht fair", wettert Maier.

Was er noch sagt: "Rekorde in dieser Dimension, die wir gerade erlebt haben, wird es nicht mehr so schnell geben. Obwohl: Wenn das richtige Umfeld da ist, so wie bei Marcel - da geht schon was. Ich glaube auch, dass einige Österreicher schnell wieder eine Rolle spielen. Vielleicht nicht im Gesamtweltcup, aber in den Disziplinen. Und die sind ja für mich schon fast wichtiger. . . " Sagte es und ging - zum nächsten Take beim Dreh.