Wieder hat sich dieses Wort eingeschlichen, obwohl das Produkt dazu längst aus der Mode ist. Das Wort lautet: Album. Darunter verstand man früher eine - im Idealfall - Perlenreihe von Songs, die zusammengehören, eine Reihenfolge und Bedeutung haben und oft mehr als die Summe ihrer Teile waren. Ein Album war - wieder im Idealfall - ein Gesamtkunstwerk, hinter dem etwas stand, eine Idee nämlich.

Aneinandergereihte Songs gibt es zwar noch immer, aber das sind meist keine Alben mehr. Nicht die Gesamtheit zählt, sondern das Einzelstück. Aufgelistet werden diese Stücke in Playlists, Reihenfolge egal. Und gekauft wird meist auch nicht mehr, sondern gestreamt. Nicht „will haben“, sondern „will hören“. Das reicht. So ist das. Und das ist kein raunziger Musikkultur-Pessimismus, sondern der Status quo. The Times They Are a-Changin'. Dieser Song findet sich übrigens auf dem dritten Studio-Album von Bob ... Genug davon. Es geht nicht um das Früher, sondern um das Jetzt. Und es geht vor allem um Ariana Grande.

Nicht dass sich die 25-Jährige medial rarmachen würde. Kaum ein Tag ohne große Grande-Meldung. Zuletzt gab es heftige Querelen um ihren Auftritt bzw. Nichtauftritt bei den diesjährigen Grammy-Awards, wo sie einen Preis einheimste, jenen für das das beste Pop-Album. Der große Negativnachrichten-Brocken war natürlich der Terroranschlag bei einem Grande-Konzert in Manchester vor zwei Jahren mit 23 Todesopfern. Dadurch erhielt die Sängerin über ihre musikalische Bekanntheit hinaus traurige Berühmtheit. Auch selbst hält der US-Star die Nachrichtenlage ständig am Köcheln und ist in der Social-Media-Welt äußerst umtriebig. Sie zählt zu den erfolgreichsten Instagrammerinnen und rangiert auch in den Twitter-Top-Ten ganz weit oben. Und dann gibt es auch noch die Musik. Nur ein halbes Jahr nach ihrem letzten Album (schon wieder!) „Sweetener“ erschien dieser Tage der Nachfolger namens „Thank U, Next“.

Die Songs darauf - und auch das soll keine nostalgietrunkene Raunzerei sein - gleichen in ihrem Gehalt und ihrer Haltbarkeitsdauer den milliardenfach verbreiteten Snapchat-Nachrichten. Momentaufnahmen in Wort, Bild und Ton, die ständig und laufend in die Welt gesetzt werden - und die nach kurzer Zeit wieder verlöschen und verschwinden im unendlichen digitalen Äther. In diesen Songs ist bewusst nichts für die Ewigkeit gemacht, wenngleich die Inhalte durchaus einen Nachrichtenwert haben. Grande, die auch den Drogentod ihres Ex-Freundes Mac Miller und die Trennung von ihrem Verlobten Pete Davidson verkraften musste, macht aus ihrem Herz bzw. Privatleben keine Mördergrube.

Im Titelsong etwa besingt sie den Einfluss ihrer Weggefährten auf ihr eigenes Leben, ohne dass es zur Anklage oder Abrechnung gerät. Im Grunde ist der Song „Thank U, Next“ ein schönes Stück Emanzipationserlebnis, denn die Botschaft lautet: Danke, ihr Männer, dass ihr an meiner Seite gewesen seid - aber ich komme auch ganz gut ohne euch aus. In einem anderen Song geht es um die Vorzüge von Gelegenheitssex, im Lied „7 Rings“ wiederum thematisiert Grande die Bling-Bling-Welt. Wer möchte, kann das Video dazu auch als Satire sehen.

All das sind Anzeichen dafür, dass Ariana Grande gerade mitten in einem Prozess steckt, den Branchenkolleginnen wie Miley Cyrus oder Justin Bieber längst hinter sich haben. Man nennt es Pubertät bzw. Erwachsenwerden. Und Ariane Grande macht gerade eine ziemlich gute Figur dabei, sich vom netten Tennie-Star zur neuen Queen of Mainstream(ing)-Pop zu mausern. Keine leichte Übung, aber alles deutet darauf hin, dass Grande clever und selbstbewusst genug ist, es zu schaffen. Und wenn sie mit ihrer Stimme, die tatsächlich „grande“ ist, den Song „Fake Smile“ anstimmt, sollte man auf die darin enthaltene Snapchat-Message hören. Es geht darum, dass sich die Sängerin darüber ärgert, welcher Unsinn über sie verbreitet wird. Andererseits: „I know it's the life that I chose“. Das klingt nüchtern und erwachsen - und schon fast nach einem Album-Song.

Info: Ariana Grande live in der Wiener Stadthalle, 3. September 2019.