Die Mundwinkel folgen der Schwerkraft, Tränen schießen in die Augen, die Faust kracht auf den Tisch, dass die Spielfiguren wie Flöhe durcheinanderhüpfen. Wutschnaubend trampelt der Junior aus dem Zimmer. Das soll lustig sein? Spaß machen? Einen Lerneffekt haben?
Der pädagogische und entwicklungspsychologische Wert eines Brett- oder Gesellschaftsspiels erschließt sich Eltern vielleicht nicht immer auf den ersten Blick. Aber es gibt ihn, versichern Experten. Tatsächlich fördern „Mensch ärgere Dich nicht“, „Scotland Yard“, „Activity“ & Co die Sozialkompetenz bei Kindern. Und das an gleich mehreren Punkten.
Zum einen lernen sie, sich an Regeln zu halten, zu warten bis sie an der Reihe sind – nicht die leichteste Übung für kleine Zappelphilippe. Zum anderen müssen sie Glück und Pech, Spannung und Langeweile aushalten und üben Konzentration. Kreativität und Fantasie werden auch gefördert.

Und dann wäre da noch die Sache mit dem Verlierenlernen. Da wird es für Eltern oder mitspielende Erwachsende zum erzieherischen Trapezakt. Man muss beruhigend auf den Wutknäuel einwirken – „Ist ja nur ein Spiel!“ Man will aber auch keine trotzige Wurschtigkeit heranzüchten – „Tu’ ordentlich, sonst können wir gleich aufhören!“ Und man soll ausreichend motivierende Anerkennung für Geschick und Geduld spenden – „Das hast Du gut gemacht!“

So einfach ist das freilich alles nicht. Es beginnt bei der Auswahl des richtigen Spiels. Denn eine Wurzel möglichen Übels liegt in einem Spiel, das ein Kind unter- oder überfordert. Da ist dann schnell Schluss mit lustig. Die Altersempfehlungen der Hersteller helfen zur treffsicheren Orientierung. Denn ein passendes Spiel darf die Aufmerksamkeitsspanne eines Kindes nicht überstrapazieren. Das beginnt schon bei den Regeln: Sie sollten gerade bei kleinen Kindern einfach, dem Wissensstand angepasst und unmittelbar verständlich sein. Es setzt sich fort beim notwendigen Verständnis für Zahlen und Buchstaben und endet bei der Dauer eines Spiels.

Freilich lassen sich Regeln modifizieren, wodurch Schwierigkeitsgrade der Spielerfahrung und dem Alter des Kindes angepasst werden. Auch wirken starre Regeln schnell langweilig, weil sie den Raum für eigene Entscheidungen und Handlungsvarianten einschränken.
Jedenfalls sollte es immer eine realistische Gewinnchance für das Kind geben. Denn niemand verliert gerne – schon gar nicht ein Kind. Aber sollte man Kinder deshalb extra gewinnen lassen? Jein. Erfolge motivieren zwar und strahlende Siegeraugen sind beglückender als Tränen, Trauer und „Ich mag nicht mehr!“-Gejammere. Wird einem Kind das Gewinnen jedoch zu einfach gemacht, gehen nicht nur Spannung, sondern auch Lust und Lerneffekt verloren.

Wie den Wert des Misserfolgs vermitteln? Fingerspitzengefühl ist gefragt. Unterstützung und Lob für gute Züge ja, aus Angst vor Frust beim Kind ihm den Sieg einfach zu schenken, hilft auch nicht. Was also tun? Bei manchen wirkt die Aussicht, dass Freunde lieber mit einem spielen, wenn man nicht gleich aufgibt oder zornig wird, wenn es einmal nicht so läuft. Bei anderen der Verweis auf Vorbilder aus dem Sport, die auch schon einmal verloren haben. Sind die Kinder schon älter, könne man auch gemeinsam herausfinden, wie dieses Idol mit seinen Niederlagen umgegangen ist, raten Erziehungspsychologen. So würden Kinder lernen, dass Verlieren zum Leben dazugehört. Eltern wiederum seien angehalten, dem Nachwuchs das Gefühl und die Sicherheit zu vermitteln, dass Verlieren erlaubt ist.

Passt alles, liefert ein Spiel neben Spaß so auch vielschichtige Entwicklungsanschübe: Kleine Spielfiguren zu versetzen, Mikadostaberl aus einem Haufen herauszulösen, verbessert die Feinmotorik. Beim Abzählen von Spielfeldern, Würfelaugen oder Karten wird mathematisches Denken spielerisch geübt. Das (Voraus-)Denken von Spielzügen und entwickeln einer Strategie fördert Logik und Konzentration. Und bei Teamspielen erfährt man notgedrungen, dass der Weg zum Erfolg nur über Zusammenarbeit führt. So wird die Wettkampfsituation zu einem Werte-Transmitter und das Spiel zu einem Gemeinschaftserlebnis.