Viele kennen das Foto, als Sie nach der Olympiamedaille im Gewichtheben das Bild Ihrer verstorbenen Frau in die Kamera zeigten. Wie hat sich dieser Moment auf Ihr restliches Leben ausgewirkt?
MATTHIAS STEINER: Für mich war dieser Moment der Abschluss einer Reise. Weil es ja so geplant war, dass meine Frau in Peking mit dabei ist. Koste es, was es wolle. Das war unser gemeinsames Ziel. Das konnten wir gemeinsam nicht erreichen. Deswegen war das der krönende Abschluss. Ich habe das Bild auch bei der Europameisterschaft mit gehabt, da hat es ja keinen Menschen interessiert. Dass in der Außendarstellung so etwas rauskommt, das konnte ich ja nicht erahnen. Und was danach wurde. Das war für mich erstmals schockierend. Vor allem total überfordernd. Ich wurde ja überall hin gezerrt. Aber es war auch eine gewisse Verarbeitung für mich.


Sie sind Botschafter für viele Organisationen. Ist Ihnen diese Arbeit wichtig, weil Sie selbst Diabetes haben und selbst viel Schicksalsschläge haben ertragen müssen?
Ich mache das in dem Bereich, wo ich selber etwas zu sagen habe. Ich sage auch, es wird unglaubwürdig, wenn es zu viel wird. Ich bin selber Typ 1 Diabetiker, ich habe ganz viel Erfahrung auf dem Gebiet, kann aber immer noch lernen. Grad auch im Leistungssport und kann das weitergeben. Und das ist total befriedigend. Warum soll ich dann andere Dinge machen. Thema Organspende. Ich bin in der Vergangenheit konfrontiert gewesen damit. Das spielt eine große Rolle und da traut sich eh kaum jemand ran, Ich finde, das ist ein wichtiges Thema. Das sind alles Sachen, die mich ein bisschen selbst betreffen oder ich schon Erfahrung gemacht habe damit. Und das sollte man halt tun. Und auf jeden Fall seine Stimme stark machen.

Steiner heute: Er nahm an der RTL-Show "It takes 2" teil
Steiner heute: Er nahm an der RTL-Show "It takes 2" teil © RTL/ It takes 2

Dass Sie in komplett anderen Bereichen Erfolg haben können, hat das damit zu tun, dass Sie immer an sich selbst glaubten. Sie ließen sich auch mit 18 nicht von der Diagnose Diabetes den Spitzensport nehmen.
Man muss sich selbst einmal fragen, will ich das auch. Wenn es das ist, traue ich mir auch Dinge zu. Wenn ich ein Angebot bekomme, probiere ich es aus. Und wenn das nicht geht, geht wieder eine andere Tür auf. Es bleibt einem nie das komplette Leben verschlossen.


Mit das Steiner-Prinzip haben Sie einen Bestseller geschrieben. Darin geht es um das Wohlfühl-Ich. Was macht dieses Ich für Sie heute aus?
Das Wohlfühl-Ich wird in Zukunft noch viel wichtiger sein, weil es die Grundlage für ein gesundes Leben ist. Die Ansprüche im Job werden immer mehr. Gerade bei Firmen bekomme ich jetzt gerade mit, dass die innerbetriebliche Gesundheitsvorsorge immer wichtiger wird. Egal ob ich einen Bürojob habe oder einen Baustellenjob, ich muss mich wohlfühlen.


Wie fühlt es sich an, wenn man über 200 Kilogramm hebt?
Ausprobieren. Einfach mal 80 Kilo in die Hand nehmen, dann merkt man schon, wie schwer es ist. Du fängst mit einer leeren Stange an. Irgendwann spielt Technik eine ganz große Rolle. Es gibt Momente, da ist das Gewicht schwer wie ein Haus. Dann gibt es Tage, wo die Technik greift, du erholt bist. Es ist so ähnlich wie das Runners-High. Da kommst du in ein Stadium, wo du gar nicht aufhören könntest, Gewicht zu heben. Aber du musst irgendwann wieder aufhören. Es ist ein wahnsinniges Glücksgefühl. Auch eine gewisse Zahl erreicht zu haben, du hast eine Vorgabe, die du erreichen musst im Training. Ob man das jetzt am Gewicht festmachen will. Es ist grundsätzlich so, wenn man einen Teilerfolg in seinem Beruf hat, in seinem Sport, es ist für uns etwas sehr messbares, eine magische Marke wie 200 Kilo zum ersten Mal zu stoßen, später dann zu reißen, was noch viel weniger können.


Wie viel schaffen Sie heute?
Keine Ahnung. Wenn ich 130 reiß oder 160 stoß ist das mehr als genug.


Gewichtheber, Unternehmer, Tänzer, Sänger. Gibt es etwas, dass Sie sich nicht zutrauen?
Gibt mit Sicherheit Dinge, die ich nicht kann.


An welchem Punkt in Ihrem Leben haben Sie gemerkt, dass Sie auch Unternehmer sind?
Eigentlich bin ich seit sechs Jahren selbstständig, aber das richtige Unternehmen geht jetzt erst los. Ich habe einfach Angebote angenommen, habe Dinge probiert, dann Aufträge gekriegt, Vorträge, Lesungen. Da habe ich mich gar nicht als Unternehmer gesehen.


Was bedeutet Ihnen Erfolg?
Erfolg ist bei mir auf gar keinen Fall monetär. Gar nicht. Es gibt so viel Menschen, die genug Geld verdient haben oder zu schnellem Geld gekommen sind, das ist für mich kein Erfolg. Es ist manchmal das Resultat eines Erfolges, manchmal ist es auch Glück. Manchmal ist es aber auch Ausbeutung. Erfolg bedeutet für mich, wenn man zufrieden ist mit dem, was man macht. Das kann man an meinem Brot ganz gut festmachen. Ich habe erst jetzt einen Produzenten gefunden, der an das Produkt glaubt. Dieses Brot erfüllt einen Zweck. Es hat so wenig Kohlehydrate, dass ich kein Insulin benötige. Es hat 25 Prozent Protein, es ist auch eine optimale Sportlerernährung, es ist aber auch für jeden anderen Menschen tauglich.

Matthias Steiner bei der "Kiku Night" mit dem Organisationsteam Erica Kircheis und Markus Gaiser sowie  Moderatorin Sarah Bernardi
Matthias Steiner bei der "Kiku Night" mit dem Organisationsteam Erica Kircheis und Markus Gaiser sowie Moderatorin Sarah Bernardi © Privat/ Kiku Night