Man(n) muss sich heutzutage schon ordentlich anstrengen, um noch zu provozieren. Erstaunlich, dass man in dieser Welt, die schon fast alles einmal gesehen hat, noch mit einem Kleidungsstück für Aufsehen sorgen kann. Aber Schauspieler Billy Porter hat das mit seinem Smokingkleid bei den Oscars geschafft. Aber nicht um der Provokation willen, sondern als Statement: „Mein Ziel ist es, durch das, was ich trage, eine wandelnde politische Botschaft zu sein. Ich will Erwartungen brechen“, so Billy Porter zur „Vogue“.

Und es zeigt sich einmal mehr: Kleidung ist nie nur Kleidung. Sie kann einengen und befreien. Einengen, weil gesellschaftliche Konventionen daran geknüpft sind. Befreien, wenn man sich davon lossagt. Und dieser Akt der Lossagung ist durchaus ein Politikum: Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ertrugen sich, im wahrsten Sinne des Wortes, Frauen unter viel Schmähungen die Hose. Zuvor war sie für Frauen für Jahrhunderte in Europa und den USA verboten bis verpönt.

Billy Porter bei der Oscarverleihung
Billy Porter bei der Oscarverleihung © AP

Auch der Mann und der Rock, das ist keine ganz einfache Geschichte: Was heute noch immer für schräge Blicke sorgt, war bis zum Barock die gängige Bekleidung auch für den Herren – und das immerhin schon seit prähistorischer Zeit. Was danach kam, war auch modisch eine Geschlechtertrennung. Der Rock wurde zum Insignium der Frau. Trägt der Mann Rock, dann läuft das noch immer unter Zweckentfremdung – mit der Rüsche „weibisch“ versehen. Das ist unter Garantie eine Lachnummer, wie bei Jack Lemmon und Tony Curtis in „Manche mögen’s heiß“. Den Rock von seiner Geschlechterzugehörigkeit zu befreien, das ist keine ganz einfache Sache.

Aber eine, die manche Herren mit viel Schwung betreiben, darunter der Schweizer Gerold Brenner, der sich seine Röcke längst selbst schneidert. Unter dem Hashtag #meninskirts finden sich auf Instagram Tausende Bilder von Männern, die auf die geschlechtliche Zuschreibung durch Mode pfeifen. Wie es bei einigen Designern schon seit Jahren modischer Alltag ist: Ob Rick Owens, Vivienne Westwood, Yohji Yamamoto, Marc Jacobs oder Jean Paul Gaultier – die Grenzen zwischen den Geschlechtern sind hier fließend. Doch es dürfte dauern, bis der Mehrheitsgesellschaft der Knopf aufgeht. Bis dahin dreht man sich vermutlich noch länger im Kreis – wie die Derwische. Die tragen übrigens auch Röcke.

Röcke für Männer sind für ihn ganz normal: Designer Rick Owens
Röcke für Männer sind für ihn ganz normal: Designer Rick Owens © (c) AP (CHRISTOPHE ENA)