Meine Buben retten die Welt. Dass sie dabei bis an die Zähne bewaffnet mitunter auch gegen Zombies kämpfen müssen, ist in manchen Lebenswelten eben bittere Realität. So weit bin ich, der mit Plastiktomahawk und aus Holz geschnitztem Henry-Stutzen Aufgewachsene, also bereits abgebrüht.

Aber was zum Henker (um cool zu klingen) treiben diese Kerle da eigentlich, so tief in die Schreibtischsessel versunken, dass es nach Deckung aussieht, bruchstückhafte Kommandos in die Headsets flüsternd, hoch konzentriert und bestenfalls „Ma, ich spiel erst ein paar Minuten“ mit der Außenwelt (also mit mir) kommunizierend?
Die Jugend lebt in Fortnite, einem Online-Spiel des Unternehmens Epic Games, das angeblich von mehr als 125 Millionen Menschen gespielt wird. Sie haben richtig gehört – allein im Mai dieses Jahres nahm diese US-amerikanische Spiele-Firma 318 Millionen Dollar ein und schüttet derzeit sage und schreibe 100 Millionen Euro an die besten eSportler der Welt aus. Zum Vergleich: Die FIFA, der Welt-Fußballverband, vergab bei der WM in Russland 400 Millionen Euro an alle 32 teilnehmenden Länder.

Aber zurück zur soeben gefallenen Bezeichnung „eSportler“. Was ist Fortnite eigentlich? Ein gewaltverherrlichendes Scharfschützenspiel, das Kindern die taktischen Grundzüge von Mord und Totschlag beibringt? Oder ist es einfach nur das, was draufsteht: ein Spiel?
Zur Erklärung: Es gibt zwei Varianten, dabei zu sein. Beim „Battle Royale“ muss der Spieler auf einer Insel gegen 99 Konkurrenten kämpfen. Nur einer (im Teammodus auch das Team) wird gewinnen.
Die Variante „Rettet die Welt“ lässt Zombies aus dem Sturm auftauchen, es gilt, Überlebende zu retten.


Beide Versionen durchlebt man mit einem Avatar, lustig anmutenden Typen – die auch tänzerische Fähigkeiten haben. Diese seltsame Eigenheit des Spiels hat spätestens seit dem Tänzchen Antoine Griezmanns beim WM-Finale auch die reale Welt erreicht, wenngleich der Fußballer vielleicht wünschte, er hätte diesen Tanz nicht gewagt.

Antoine Griezmann und sein „Take the L“-Torjubel beim WM-Finale
Antoine Griezmann und sein „Take the L“-Torjubel beim WM-Finale © (c) APA/AFP/GABRIEL BOUYS (GABRIEL BOUYS)

Seit Monaten stellt das Inselabenteuer Fortnite mit der Altersfreigabe „Ab 12“ also alles in den Schatten. Im Grunde läuft das Ganze so ab: Die Figuren rennen durch die Landschaft, suchen nach Ausrüstung und Verbandskästen, bauen sich selbst Schutzwälle und Rampen und haben einander im Visier – bis zum bitteren Ende. Spiele-Experte Harald Koberg vom Verein Ludovico sieht in Fortnite dennoch weniger die Gewalt als die sportliche Komponente im Vordergrund. „Die Grafik ist sehr an Comics angelehnt“, und derzeit liefert das Spiel ja sogar Golf- und Basketballturniere, denn schließlich müssen auch Helden einmal ausspannen. Neue Tänze gibt es auch – vielleicht ist einer für Griezmann dabei.

Die bunte Fortnite-Welt zieht Millionen Mitspieler an
Die bunte Fortnite-Welt zieht Millionen Mitspieler an © Epic Games

Koberg stellt aber noch etwas Bemerkenswertes fest: „Fortnite fördert soziale Kontakte.“ Denn tatsächlich verabreden sich Jugendliche zum Spiel und treten in Teams auf. Gut, Eltern mögen das. „Du triffst dich mit Freunden? Super, nur zu!“
Aber im Ernst. Es gab schon schlimmere Trends. Spiele, die erst ab dem 18. Lebensjahr empfohlen wurden, und dennoch (oder gerade deshalb) Gesprächsstoff an jeder Schule waren. Koberg sieht da nur eine Strategie: „Man muss Grenzen ziehen.“ Altersfreigaben sind keine Willkürakte. Zeitlimits retten Tage.

Und da wird es jetzt richtig spannend. Denn seit einigen Tagen wird eine neue Altersfreigabe für Fortnites „Battle Royale“-Modus – Sie erinnern sich: die 1-gegen-99-Variante – empfohlen: ab 16.
„Was machen jetzt all die Leute, die ihren Kindern das Spiel längst erlaubt haben?“, fragt Harald Koberg.
Diese Debatte wird wohl schlimmer als alle Zombie-Kämpfe. Im Zeitalter von Handy, Tablet & Co sind solche Diskussionen aber eh längst Alltagsgespräch. Wenn überhaupt noch geredet wird.