Wie sind Sie mit Giacomo Casanova verwandt?
ELISABETH-JOE HARRIET: Sein Bruder Giovanni Casanova ist mein fünffacher Urgroßvater, er war Maler in Paris und Leiter der Akademie in Dresden.

Heute wäre Ihr Ahnverwandter ein #MeToo-Extremfall?
ELISABETH-JOE HARRIET: Absolut nicht. Mit dem Namen Casanova wird das völlig falsche Bild eines machohaften, unverbesserlichen Schürzenjägers verbunden und die Bezeichnung Casanova an Männer vergeben, die weit davon entfernt sind, dem zu entsprechen. Es gibt heute nur wenige Männer, die dieses Epitheton verdienen. Nur wer Bildung, Niveau, Stil, Benehmen, Fantasie und Mut hat, hat eine Chance, auch ein guter Liebhaber im Sinne eines Casanova zu sein, mit dem sich eine Frau mit Freude unterhält.

Seine Duelle um Frauen, in Barcelona einmal mit Todesfolge, sind allerdings verbürgt.
ELISABETH-JOE HARRIET: Das ist Abenteurer-Risiko. Das Rokoko-Zeitalter war ein Tanz auf dem Vulkan, ein Das-Leben-Fressen im ausklingenden 18. Jahrhundert. Die Damen der feinen venezianischen Gesellschaft hatten einen Cicisbeo, einen Kavalier, der sogar in ihren Boudoirs sein durfte und Pflichten wie das Ausgehen dem Ehemann abnahm, der wiederum woanders beschäftigt war. Wir hatten in den 68er-Jahren die Zeit der sexuellen Befreiung. Im Rokoko war in der gehobenen Gesellschaft körperliche Liebe en vogue. Casanova liebte nie ohne seelische Bindung, das geht aus den Memoiren nachlesbar hervor.

Suchte Casanova bei Frauen die Anerkennung, die dem Doktor juris der Universität Padua als Literat verwehrt blieb?
ELISABETH-JOE HARRIET: Diese fehlende Anerkennung schmerzte ihn. Er war zu Lebzeiten berühmt, aber als Ausbrecher und Abenteurer, während sein Bruder Francesco, der Hofmaler bei Graf Kaunitz war, viel berühmter war.

In England zerbrach er einmal fast an der unerreichbaren Liebe zu einer 18-Jährigen.
ELISABETH-JOE HARRIET: Ja, aber er gab auch zu, dass er nicht bindungsfähig ist.

Er bereiste ganz Europa, von Konstantinopel bis St. Petersburg, von Preußen bis Spanien. Ein Europäer, unterhaltsam an allen Höfen von Katharina der Großen bis Maria Theresia.
ELISABETH-JOE HARRIET: Bei der war er weniger beliebt. Die fromme Kaiserin sah Casanova mit seinem Ruf gar nicht gern in Wien.

In Prag traf er 1787 Mozart und den Librettisten Lorenzo Da Ponte, den er aus Venedig kannte. Wurden Texte Casanovas für die Oper „Don Giovanni“ genutzt?
ELISABETH-JOE HARRIET: Er hat Textteile geschrieben, man hat diese aber nur einmal aufgeführt, weil Da Ponte nicht ganz fertig war, da er mit Mozart Streit hatte und früh abreiste. Als es vollendet war, nahm man das gesamte Libretto von Da Ponte. Inspiriert hat Casanova gewiss.