Selten genug, dass der Räuber Hotzenplotz eine Niederlage eingestehen muss. Aber wenn ein Gewitter im Anmarsch ist, kann er mit seiner Pfefferbüchse gleich den Rückzug antreten. Übrig bleibt zumindest sein legendärer Sager „Potz Blitz“, aber auch dieser beschreibt nicht einmal annähernd die Urgewalt, die ein Blitz innerhalb von Sekunden freisetzt.

Es ist ein mächtiges Gemisch, das sich während eines Gewitters am Himmel zusammenbraut. Durch einen großen Temperaturunterschied zwischen bodennahen und höheren Luftschichten entstehen Gewitterwolken. In diesen bis zu zwölf Kilometer hohen Wolken schleudern mächtige Auf- und Abwinde mit enormer Geschwindigkeit Wassertropfen, Eiskristalle und Hagelkörner durch die Wolke - eine elektrostatische Aufladung ist die Folge. Doch der Tanz der Moleküle wird noch ekstatischer. Tanzpartner Nummer eins befindet sich am oberen Ende der Wolke und ist positiv geladen, während am unteren Ende der wolkigen Tanzfläche eine ziemlich negative Stimmung herrscht.

Blitz bei einem Unwetter in Thüringen
Blitz bei einem Unwetter in Thüringen © dpa-Zentralbild/Martin Schutt

Erreicht dann in der Hitze des Gefechtes der Unterschied zwischen Plus- und Minus-Bereich eine bestimmte Größe, dann fliegen ordentlich die Funken. „Dieser Potenzialunterschied führt zur Blitzentladung, entweder innerhalb der Wolke (Wetterleuchten) oder in Richtung Erde. Dabei wächst zunächst ein Leitblitz, ein sogenannter Leader, ruckweise von der Wolke zur Erde“, beschreibt Hannes Pichler von der Blitzforschungsstelle Aldis die Entstehung eines Blitzes. Erst jetzt geht der Tanz so richtig los: „Erst im letzten Moment, wenige Hundert Meter von der Erdoberfläche entfernt, wachsen dem Leitblitz eine oder mehrere sogenannte Fangentladungen entgegen - üblicherweise von hohen Gebäuden, Türmen und Bäumen. Die Fangentladung, die als Erstes den Leitblitz erreicht, legt den Einschlagort des Blitzes fest. Erst jetzt ist der Stromkreis geschlossen und der Blitz leuchtet hell auf.“ Dieser Vorgang läutet das große Finale ein, denn die dabei entstehende Hitze von rund 30.000 Grad sorgt dafür, dass sich die Luft um den Blitzkanal schlagartig ausdehnt. Diese Druckwelle breitet sich mit Schallgeschwindigkeit aus. Und jetzt gilt es, aufmerksam zu sein, wie Pichler erklärt: „Vergehen zwischen Blitz und Donner 30 Sekunden, ist das Gewitter nur mehr zehn Kilometer entfernt - es ist höchste Zeit, einen sicheren Ort aufzusuchen!“

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Dass diese gigantische Machtdemonstration heute wie auch zu früheren Zeiten Angst, Ehrfurcht und absolutes Unbehagen auslöst, ist nachvollziehbar. Schon in der Bibel ist der Blitz Chefsache: vom Strafgericht bis zum Ausdruck des Zorns - der Blitz als Erklärung für die ultimative Gefühlsexplosion. Auch die alten Griechen sahen das nicht anders: Die Allmacht von oben kam in Form eines Blitzes und der war niemand Geringerer als Zeus höchstpersönlich. Einst von den Kyklopen mit Blitz und Donner ausgestattet, gab es nur eine Antwort, wenn es unter dem Himmelszelt ruckelte und zuckelte: Der Herrscher selbst war im Anmarsch oder er war stimmungsmäßig ziemlich geladen. So oder so war das Wegducken nicht die schlechteste Empfehlung und diese gilt nach wie vor. Außer man ist dem Blitz aktiv auf den Fersen und mit dessen Habitat vertraut. Keine ganz einfache und schon gar nicht ungefährliche Sache.

Fang das Licht!

Einer, der beim Anmarsch eines Gewitters Zeus unerschrocken ins Auge blickt, ist Daniel Loretto - von ihm stammt auch das am Artikelanfang abgebildete Blitzbild. Der 30-jährige Grazer hat vor zwölf Jahren mit der Blitzfotografie begonnen und war vom ersten Versuch an elektrifiziert: „Mir geht es um das Gewitter als Ganzes, um die Stimmung. Man weiß ja nie, was dort als Nächstes passiert. Kommt ein Sturm, großer Regen, starker Hagel oder möglicherweise sogar ein Tornado? Bei den Blitzen schaut jeder anders aus. Es flackert kurz auf, aber man nimmt mit freiem Auge nicht wahr, wie schön sie mit all ihren feinen Verästelungen sind.“

Diese Blitze fotografierte Daniel Loretto am Faßlberg bei Graz
Diese Blitze fotografierte Daniel Loretto am Faßlberg bei Graz © Leserreporter Daniel Loretto

Die einzige Möglichkeit, diese Schönheit festzuhalten, ist, sie mit dem Fotoapparat einzufangen. Doch wer beim ersten Donnergrollen aufspringt, kann auch gleich daheimbleiben. Die erfolgreiche Ausbeute beruht auf einer guten Vorbereitung, wie sie auch Loretto betreibt. Heißt: tägliches Scannen der Wetterkarten, bei Gewitterlage behält er das Niederschlagsradar im Auge. Blitzkarten zeigen an, aus welcher Richtung das Gewitter kommt und ob es viel oder wenig Blitze enthält. Besonders beliebt bei Blitzfotografen sind die sogenannten Erdblitze, also jene, die auch bis zur Erde gelangen. Und dann muss es schnell gehen: „Wenn das Gewitter in meine Region kommt, schaue ich eine halbe Stunde bis Stunde vorher, dass ich einen Standort mit guter Aussicht erreiche. Idealerweise kann ich von dort aus aus dem Auto fotografieren, weil im Auto ist man wegen des faradayschen Käfigs sicher. Ansonsten ist es wirklich sehr gefährlich, weil man ja aufgrund der Aussicht meistens an einer exponierten Stelle ist.“ Weiters empfiehlt Loretto einen Platz, der trocken und windgeschützt sein soll, „denn wenn die Kamera am Stativ ist, könnte sie sonst wackeln oder der Wind weht Regentropfen auf das Objektiv“.

Auch Pol- und Graufilter sind zu empfehlen

Ebenfalls entscheidend ist die Helligkeit, denn der Blitz ist lichtscheu, künstliche Konkurrenz ist ihm zuwider: „Es sollte möglichst dunkel, aber nicht komplett finster sein. Schön ist, wenn noch Wolken und Landschaft erkennbar sind.“ Profis schauen auch darauf, dass das Gewitter an einem vorbeizieht. Wer wirklich gute Fotos schießen will, setzt wie Loretto auf eine Spiegelreflexkamera mit unterschiedlichen Objektiven und Filtern, wie Pol- oder Graufilter, die das Bild perfekt modellieren. Und das ist vermutlich auch besser so, denn Zeus soll ja ziemlich eitel sein.