Ja, es stimmt. Ich war auf dem Jakobsweg unterwegs. Am Camino del Norte, nahe dem Atlantik. Es waren allerdings nur ein paar Hundert Meter: in der Altstadt von Bilbao. Dort, wo sich in den engen Gassen die kleinen Korb-, Hut- und Sportgeschäfte sowie Bars aneinanderreihen, sind Pflastersteine und Schilder mit der Jakobsmuschel als Wegmarkierungen zu sehen. Hin und wieder stapfen echte Pilger mit erdverkrusteten Wanderschuhen und Rucksack in Richtung Santiago de Compostela durch.

Die Pilger sind eine Mini-Gruppe in Bilbao, der 350.000 Einwohner zählenden Hauptstadt der baskischen Region Bizkaia. Eine Million Besucher im Jahr machen jene aus, die hier vor allem Kultur und Kulinarik genießen. Sie „pilgern“ etwa zu Daniel Garcia - wegen des Stockfischrisottos mit Trüffel -, dem Haubenkoch mit dem stylischen Restaurant Atea. Regional und patriotisch wie die Einwohner ist die Küche der Region: Schweinsbackerln oder Blutwurst werden mit verfeinerten Rezepten wieder angeboten. Wer sich in den Bars bereits am Vormittag durchs Pintxos-Angebot gekostet hat, der hat gleich ein Stück Baskenland erfahren: Fisch oder Schinken, Gemüse, Pilze, Käse, die sich mit Spießchen fixiert auf den kleinen Broten stapeln, sind gleich wie der fruchtige Txakoli-Wein zumeist Produkte aus der Umgebung.

Schwer vorstellbar, dass Bilbao noch nicht lange so attraktiv ist, sondern eine graue Industriestadt war, die mit dem Ende der Stahlindustrie und nach dem verheerenden Hochwasser 1983 schwerst krisengebeutelt war.

Nahezu unvorstellbar, dass es den Regionalpolitikern in Zeiten von 25 Prozent Arbeitslosigkeit gelungen ist, auf Kultur zu setzen. 100 Millionen zahlten die baskische Regierung und Firmen für das 1997 eröffnete Guggenheim-Museum von Architekt Frank O. Gehry, 20 Millionen zusätzlich allein für den Namen. Guggenheim am Ufer des Flusses Nervión, wo früher Frachtcontainer im alten Hafen standen, ist heute der Touristenmagnet schlechthin, der Bilbao auf die Erfolgswelle brachte. Größe zeigen, das gilt auch für Spinne „Maman“ von Louise Bourgeois und „Puppy“, Jeff Koons' riesigen, mit Blumen bepflanzten Hund vor dem Museum. Schwer abschätzbar, ob die atemberaubende Architektur oder die Ausstellungen mehr Interesse wecken.

Eine Besonderheit ist auch die „Weiße Brücke“ Zubizuri als Stahlkonstruktion über den Nervión. Der Glasboden musste rasch mit einem Teppich belegt werden, um Stürze zu verhindern. Denn nass ist es hier in Atlantiknähe immer wieder. Die große Hitze gibt es nicht einmal im Hochsommer. Zudem: Bilbao ist extrem sauber. „Die Basken sind eher wie Deutsche: verlässlich, fleißig, pünktlich“, sagt Reiseleiterin Maru selbstbewusst: „Hier im Baskenland ist es anders als in Spanien.“

Im kleinen Geschäft Sombreros Gorostiaga in der Altstadt gibt es die Original-Baskenmützen „Txapela“, samt Anleitung, wie man sie trägt. Wer nach Kulinarik und Kultur auch auf Shoppen setzt, wird überrascht: Chic bis hip und preiswert sind kein Widerspruch.

Manche wollen's nicht glauben. Doch Bilbao liegt nicht am Meer, dieses ist 15 Kilometer entfernt, ein nachmittäglicher Ausflug also möglich. Mit der U-Bahn sind es 20 Minuten nach Getxo, wo die Klippen so nahe sind und die Schwebebrücke zum Weltkulturerbe zählt.

Wer sich für einen Ausflug noch weiter aus Bilbao bewegen will, fährt mit dem Auto eine Stunde durch grüne Landschaft ins Küstenstädtchen Mundaka. Hier hoffen Surfer auf die „linke Welle“, die bis zu vier Meter hoch und 400 Meter lang werden kann. Und wenn sie nicht kommt? Einfach die Meereslandschaft genießen.

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