Auf den Wetterbericht sollte man sich im Salzburger Lungau nicht allzu sehr verlassen. Das Wetter ist nämlich immer wieder für Überraschungen gut. Eigentlich ist es auch egal, denn für Biosphären-Fex und Wanderführerin Bettina van der Vaart gibt es ohnehin kein schlechtes Wetter: „Im Gegenteil, denn bei Regen spürt man die Natur viel mehr – die Kälte, die Nässe.“

Die Niederländerin, die mit ihrem Mann Mark Klarenbeek seit zehn Jahren im Lungau lebt und beinahe täglich in der freien Natur anzutreffen ist, muss es schließlich wissen. Gemeinsam haben sie ein mehr als dreihundert Jahre altes Bauernhaus samt Getreidekasten und Wagenhütte zu gemütlichen Ferienwohnungen und kleinem Restaurant mit Ausblick auf das Lessachtal umgebaut – ohne dabei den Charme des Ensembles zu opfern. „Mit den Steinmauern und dem Altholz braucht man viel Geduld, aber es war mir wichtig, das zu erhalten. Solche Baumaterialien können immerhin noch Geschichte erzählen“, sagt Mark.

Als „Dreiländerwirt“ haben sie sich bereits einen Namen im Lessachtal gemacht, von wo aus die erste Wanderung startet – bis hinein ins Hintere Lessachtal mit seinen saftig grünen Wiesen, den Weiden, den Niedermooren und Wasserfällen.

Bis in die Kernzone des Unesco-Biosphärenparks

Bis zur Laßhoferalm kann man mit dem Auto fahren. Nach einem kurzen Aufstieg dringen wir bis in die Kernzone des Unesco-Biosphärenparks am Fuße des Hochgollings, des höchsten Bergs der Niederen Tauern (2863 Meter), vor. Mit im Rucksack hat Bettina van der Vaart zahlreiche Infos zur Tier- und Pflanzenwelt, aber ihr wohl wichtigster Tipp ist, nicht achtlos an den Pflanzen und Bäumen vorbeizulaufen. Nur so erlebe man die Natur mit allen Sinnen und der Duft von Wacholder, Weißtanne und Almrausch, nachdem man die Blättchen in der Hand etwas zerrieben hat, erfüllt die klare Herbstluft. Selbst wenn leichte Nebelschwaden in mystischer Art und Weise die Bergspitzen umhüllen, kennt Bettina Plätze, von denen aus man acht Wasserfälle bestaunen kann.

Ein Fernglas sollte bei den Wanderungen stets mit im Rucksack sein
Ein Fernglas sollte bei den Wanderungen stets mit im Rucksack sein © Schmerlaib

Überhaupt, so erscheint es einem als aufmerksamem Gast, ist das Wasser ein ständiger Begleiter im Lungau. Stets ist es zu hören und plätschert in einer fast meditativen Regelmäßigkeit dahin. Tosend als Wasserfall erinnert es uns gleichzeitig an die Kraft, die in ihm steckt. Knapp 60 Bergseen, die ein Spiegel der wunderbaren Natur in diesem Gebiet sind, verteilen sich über die Almen. So auch der Twenger Almsee (2120 Meter). Oberhalb der Scharte beim Übergang zum Schönalmsee genießt man ein Panorama mit der Aussicht auf drei Seen. Das begeisterte auch den Lungauer Sagensammler Michael Dengg, der von alten Almbauern noch die Geschichte hörte, dass der Twenger Almsee und der Schönalmsee miteinander unterirdisch verbunden sein sollen.

Der Twenger Almsee ist auf jeden Fall eine Wanderung wert
Der Twenger Almsee ist auf jeden Fall eine Wanderung wert © Schmerlaib

Die Wanderung beginnt man am besten bei der Jugendherberge Schaidberg in Obertauern. Dorthin kehrt man auch wieder zurück oder beendet die Route mit einem Abstieg ins Weißpriachtal über den Schön-almsee und den Wirpitschsee. Aber Achtung: Einige Hütten sind schon geschlossen, also vorab informieren.

Bodenständigkeit und ein gutes Klima

Ganz sicher geöffnet ist hingegen das Relaxhotel Alm.Gut in St. Margarethen im Tal. Das Hotel, das sein 30-jähriges Jubiläum begeht, ist auf Feng Shui ausgerichtet. „Bodenständigkeit, ein freundliches Personal und ein gutes Klima. Damit können wir punkten“, sagt Chef Hans Lüftenegger, selbst gebürtiger Lungauer. „Die Leute, die zu uns kommen, suchen wieder mehr das Echte und das finden sie hier.“

Genau diese Ursprünglichkeit schätzt auch Bernhard Miedl an seiner Heimat, der mit seiner Frau Barbara das idyllisch gelegene „Häuserl im Wald“ in Mariapfarr betreibt. Als stiller, nahezu meditativer Kontrast zum hektischen Alltag erweist sich eine Wild- und Waldentdeckungstour mit dem Lungauer. Der Baumeister und Jäger kennt die Bergwelt wie seine Westentasche: „Der Herbst ist die schönste Zeit zum Wandern. Alles wird so bunt“, gerät er ins Schwärmen.

Das "Häuserl im Wald" in Mariapfarr
Das "Häuserl im Wald" in Mariapfarr © Privat

Nach einer kurzen Anfahrt mit dem Auto geht es hinauf Richtung Zechnerkarspitze (2452 Meter). Gequatscht wird bei Bernhards Touren nicht, immerhin könnte man die Gämsen verscheuchen, die sich häufig da oben herumtreiben. Aber so lässt es sich auch besser in sich gehen – umgeben von schroffen Felswänden und steilen Hängen. „Hier oben in den Bergen ist man so richtig weit weg von allem. Auch gedanklich. Das macht es so schön“, sagt der Gastgeber.

"Ich möchte wissen, was ich esse"

Während sich langsam die kühle Abendluft ausbreitet, wird es in der warmen Backstube von Christina Bauer umso gemütlicher. Die 30-jährige Biobäuerin und Bloggerin hat sich eines zur Lebensphilosophie gemacht: „Ich möchte wissen, was ich esse. Und deshalb habe ich angefangen, alles selbst zu backen.“ Damit scheint sie in der heutigen Zeit bei vielen Menschen einen Nerv getroffen zu haben. Bei ihren Brotbackkursen verrät sie praktische Tipps: „Ich möchte dem Germteig, der ja eigentlich einfach zu machen ist, zu einem besseren Ruf verhelfen“, sagt die junge Lungauerin, deren Rezepte sprichwörtlich wie die warmen Semmeln in Buchform weggehen.

Auch ihr Blog „Backen mit Christina“ ist ein Selbstläufer. „Ich backe mit den Gästen so, wie es auch zu Hause möglich ist. Es soll einfach und rasch gehen.“ Ihr selbst hergestelltes Gebäck mit Mehl aus der Region bietet sie zudem ihren Feriengästen am Hof an. „Um fünf Uhr ist deshalb bei mir Tagwache. Nach der Arbeit im Stall geht es schon ans Semmelnmachen.“

Die 30-jährige Bloggerin Christina Bauer gibt wertvolle Tipps
Die 30-jährige Bloggerin Christina Bauer gibt wertvolle Tipps © Schmerlaib

Im Lungau gibt es viele kreative Produzenten wie Christina, die sich spezialisiert haben: echt zu sein, echte Qualität mit heimischen Rohstoffen anzubieten und vor allem – nicht „größenwahnsinnig“ zu werden. Einer dieser Kleinproduzenten ist Slow-Food-Mitglied Gunther Naynar aus Göriach, der am Hiasnhof eigenen Käse produziert.

Blick hinter die Kulissen der Hofkäserei von Gunther Naynar
Blick hinter die Kulissen der Hofkäserei von Gunther Naynar © Schmerlaib

„Uns ist die Produktion mit eigenen Rohstoffen wichtig. Oft ist die Nachfrage größer als unser Bestand. Aber wir legen auf das Tierwohl eben viel Wert“, sagt der Landwirt, der sogleich in einem Kupferkessel oberhalb der Feuerstelle einen Bergkäse ansetzt. „Eineinhalb Stunden muss ich rühren. Das könnte natürlich auch eine Maschine machen, aber das lasse ich mir nicht nehmen. Das ist die einzige Zeit, in der ich zum Nachdenken und zum Musikhören komme“, sagt er.

Sowohl Frischkäse als auch Hart- und Weichkäse, Topfen und Butter kann man am Hiasnhof kaufen. Auf dem Markt in Tamsweg ist er mit seiner Frau selbst anzutreffen: „Das ist uns wichtig. Wir schätzen den Kontakt zu den Menschen, da ergeben sich interessante Gespräche. Jedes Produkt braucht schließlich eine Geschichte, sonst funktioniert es nicht.“