Der tiefe Fall kommt etwas unerwartet. Gerade ging es noch mit dem Raftingboot auf dem Voidomatis zügig dahin, nur wenige Minuten später findet man sich sechs Meter über dem Wildwasserfluss auf einem kleinen Felsvorsprung wieder. Statt dem Temporausch auf den Stromschnellen gibt es jetzt Rauschen im Kopf: „Soll ich wirklich springen?“ Die Entscheidung wird einem schließlich von Guide Nikos abgenommen, der mit der GoPro-Kamera in der Hand und dem Finger auf der Aufnahme-Taste auf den Satz ins eiskalte Wasser wartet: „1,2,3... und los!“, feuert er an.

Mit dem Sprung ins glasklare Nass taucht man endgültig in die nordgriechische Region Epirus ein. Hier, im historischen Gebiet Zagoria, wo sich Ziegenherden auf den Straßen und Bären durch die dichten Wälder bewegen, wo sich die Vikos-Schlucht 1250 Meter in die Tiefe gefressen hat und sich das Tymfi-Massiv auf bis zu 2500 Höhenmeter erhebt, offenbart sich eines der bestgehüteten Geheimnisse der Hellenen. „Viele verbinden mit Griechenland das Meer und die sanften Hügel – diesen schroffen, markanten Teil des Landes, kennen nur die wenigsten“, erklärt Fremdenführer Markos. Selbst seine Landsleute verirren sich nur selten hierher, verrät er.

Dabei hat die Zagoria, „der Ort hinter den Bergen“, für Outdoor-Begeisterte einiges zu bieten. Eine Autostunde von der Hauptstadt Ioannina und nur einen Steinwurf von der albanischen Grenze entfernt, breitet sich das wilde, ursprüngliche Griechenland aus. Die ältesten Stämme des Landes haben in der Region ihren Ursprung. Kilometerlange Wanderwege führen im Nationalpark Vikos-Aoos vom Ufer des Voidomatis durch die 46 Dörfer der Gemeinde Zagori bis hinauf zum Astraka. Verbunden sind die Kalderimi, die im zwölften Jahrhundert als Handelsrouten angelegt wurden, von den für das Gebiet typischen Rundbogenbrücken.

Wer es abenteuerlicher mag, kommt im Sommer mit dem Mountainbike oder im Winter beim Skitourengehen auf seine Kosten. „Für uns ist Epirus wie das wilde Österreich“, schwärmt Markos.

Wie in der Alpenrepublik wechseln einander in den griechischen Bergen Sonne, Regen und wolkenbehangene Himmel ab. Während das Wetter die einzige Diva in Zagori zu sein scheint, strahlen dessen Bewohner eine unbändige Lebensfreude aus. Im sehr dünn besiedelten Gebiet verschmelzen die typischen Steinhäuser aus Kalkstein und deren Schieferdächer mit der schroffen Umgebung. Oft sind die Häuser erst auf den zweiten Blick auszumachen.

Schweißtreibende Wanderungen

So wie das Dörfchen Vitsa, von dem sich ein herrlicher Blick über eine von Gipfeln und Bergrücken gesäumten Landschaft bietet. Hier bereitet Koch Vassilis Katsoupas in seinem Restaurant „Kanela & Garyfallo“ verschiedenste Pilzgerichte zu. Gekocht wird mit regionalen Schwammerln und Raritäten aus aller Welt. Kulinarischer Geheimtipp: die karamellisierten Eierschwammerl mit Vanilleeis. Mahlzeit!

Um das Naturjuwel zu schützen und Touristen in das Gebiet zu locken, hat Katsoupas mit Gastronomen das Zagori-Excellence-Network (Zen) gegründet. „Bei uns ist alles familiär, hier kann man die Natur noch auf sich wirken lassen“, so der Koch.

Wer sich nach schweißtreibenden Wanderungen nach Abkühlung sehnt, dem empfiehlt sich ein Abstecher ans nahe Meer. In etwas mehr als einer Autostunde erreicht man das Fischerdörfchen Sivota. Täglich legt vom Hafen ein Boot in Richtung Inselgruppe Paxi ab. In den Buchten lässt es sich herrlich planschen. Vor den Inseln fällt der Sprung ins glasklare Wasser stressfreier aus als in den Bergen.